Kölner Schauspiel-Intendant„Köln ist die Stadt der Indifferenz“

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06.​​05.​​2021​, Köln​​:Stefan Bachmann, Intendant Schauspiel Köln, wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen.  Foto: Max Grönert

Stefan Bachmann, Intendant Schauspiel Köln, wurde zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Foto: Max Grönert

Der scheidende Intendant Stefan Bachmann über die Schwierigkeit seriöser Planung in Köln, Lieblings-Kulturorte und seine Vision für die Stadt.

Warum war Köln für Sie als Kulturschaffender der perfekte Lebensmittelpunkt?

Köln ist die Stadt der Indifferenz. Ja heißt nicht unbedingt ja, aber umgekehrt heißt nein auch nicht ein für alle Mal nein. In Bezug auf Projekte bedeutet das: Es gibt Interpretationsspielraum. Für eine seriöse Planung ist das meist eine Katastrophe, aber wenn man sich ein bisschen auf das neapolitanische Flair dieser Stadt einlässt, kann es durchaus fruchtbar sein, auf das kreative Potential des Chaos zu setzen.

Was als größtes Unglück für das Schauspiel Köln galt, das Scheitern der Sanierung des Stammhauses am Offenbachplatz und somit die Verlängerung des Interims in Mülheim auf unbestimmte Zeit, hat sich zu einem Glücksfall entwickelt. Auf der Schäl Sick, wo es so gut wie keine kulturellen Angebote gab, am Stadtrand in einem stillgelegten Fabrikareal ein Theater aufzubauen, samt dem „CARLsGARTEN“, einem Gartenprojekt, das Furore gemacht hat, das hat mich als Künstler und Theatermacher entscheidend geprägt. Die positiven Effekte der Kultur auf einen Stadtteil sind hier in Mülheim so offensichtlich geworden, dass die Stadt Köln beschlossen hat, auch nach dem Umzug ins neu sanierte Haus das Depot als Standort der Kultur zu erhalten und hier eine autarke Tanzsparte anzusiedeln.

Urban Gardening Projekt Carlsgarten vor dem Schaupsiel Köln: Auf 3000 Quadratmeter lassen sich Biogemüse, Heilkräuter, Färberpflanzen und Wildpflanzen finden.

Urban Gardening Projekt Carlsgarten vor dem Schaupsiel Köln: Auf 3000 Quadratmeter lassen sich Biogemüse, Heilkräuter, Färberpflanzen und Wildpflanzen finden.

Was ist Ihr liebster Kulturort in Köln oder der Region?

Abgesehen vom Carlsgarten bin ich am liebsten in Kolumba. Es ist das schönste Museumsgebäude in Köln, vielleicht eines der schönsten Gebäude der Stadt überhaupt. Ein Ort, der spirituell und intellektuell zugleich ist, aber auch ein Ort, der eine große Sinnlichkeit hat. Die Architektur ist – neben den wechselnden Ausstellungen – immer wieder ein Erlebnis. Mich stimmt die Schönheit dieses Gebäudes, die in jedem Detail zu erleben ist, jedenfalls immer optimistisch.

Was ist Ihre größte Hoffnung für den Kulturstandort Köln?

Meine große Hoffnung ist, dass man trotz der nicht so rosigen Wirtschaftslage und der zu erwartenden Sparauflagen die Potenziale einer starken Kulturszene erkennt und dass die Förderung der Kultur nicht als Konkurrenz zur Förderung der Bildung gesehen wird, so wie das gerne immer wieder mal praktiziert wird.

Mitten in der Stadt könnte eine „Flanierzone“ der Kultur zwischen Offenbachplatz, Kolumba, WDR, Museum für Angewandte Kunst und Dom entstehen. Einfach die Nord-Süd-Fahrt für den Autoverkehr sperren und die Plätze so aufwerten, dass sie endlich Aufenthaltsqualität bekommen!

Ihre schönste oder skurrilste Publikums-Anekdote aus Köln?

Der türkischstämmige Besucher des Carlsgartens, der vor elf Jahren einen Weinstock aus Anatolien gespendet hat. Er war selbst Werksarbeiter auf dem Carlswerk-Gelände und hatte die Stahlseile mitgefertigt, die man zum Bau der Bosporusbrücke gebraucht hatte. Diesen Weinstock gibt es bis heute, und er ist ein Symbol dafür, dass bei uns am Schauspiel viele Grenzen überwunden wurden.

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