Leserbriefe zum U-Bahn-TunnelEnorme Kosten, geringer Nutzen?

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Ein aus drei Straßenbahnen bestehender Langzug befährt das Gleisbett auf der Kölner Cäcilienstraße. Autos, die links abbiegen wollen, warten vor einer Ampel auf die Durchfahrt der 90-Meter-Bahn.

KVB-Testfahrt mit 90-Meter-Bahnen auf der Ost-West-Achse

Eine Tunnellösung für Teile der Kölner U-Bahn verheißt die Neugestaltung der Innenstadt, schreckt aber mit hohen Kosten und Risiken beim Bau. 

KVB testet 90 Meter lange Bahnen (15.4.) sowie Eine Schockstarre wäre fatal – Tim Attenberger über den Testlauf mit 90-Meter-Bahnen (15.4.)

KVB: Tunnelbau oder Erweiterung des Streckennetzes? 

Die KVB haben auf der Ost-West-Achse Langzüge getestet. Ich hatte diesem Versuch mehr als skeptisch gegenübergestanden. In der Rückschau bin ich aber unseren ehrenamtlichen Verkehrspolitikern dankbar dafür. Die KVB hatten nämlich nicht irgendeinen toten Sonntag für ihren Versuch ausgesucht, sondern einen der seltenen verkaufsoffenen Sonntage. Das schöne Wetter tat ein Übriges, um die Innenstadt zu füllen. Trotzdem zogen die Züge ihre Bahnen, und die Kölner Verkehrswelt ist nicht untergegangen – genauso wie allen Unkenrufen zum Trotz bei der Querung der Rheinuferstraße an der Südbrücke durch die Linie 17.

Am Rande der Veranstaltung verteilten KVB-Mitarbeiter Informationsblätter mit teilweise fragwürdigen Aussagen. Da ist die Rede davon, dass auch für die Tunnellösung 90 Prozent der förderfähigen Kosten von Bund und Land getragen würden. Diese Förderung hätte mit anderen Baumaßnahmen nichts zu tun, weil die Gelder projektbezogen bewilligt würden. Andere notwendige Maßnahmen für eine Verkehrswende würden damit „keinesfalls“ ausgeschlossen. Formaljuristisch mag man das so sehen können, wenn es einem egal ist, wo das Geld herkommt.

Weil sich der Steuertopf nicht von selber nachfüllt, sind die Mittel begrenzt, die zur Verfügung stehen
Dr. Rolf Schmidt

Man kann darin aber auch eine irreführende Schönfärberei sehen: Weder Bund noch Land haben einen Goldesel im Keller stehen. Bevor sie also großzügig „Fördermittel“ verteilen können, müssen sie die Gelder erst einmal den Steuerzahlern aus der Tasche ziehen. Und weil sich der Steuertopf – anders als der Brei-Topf im Märchen – nicht von selber nachfüllt, sind die Mittel begrenzt, die zur Verfügung stehen. Außerdem gehört zu einer Wirtschaftskompetenz, auf die sich manche Parteien einiges einbilden, auch die Erkenntnis der schwäbischen Hausfrau, dass man Geld nur einmal ausgeben kann.

Die Frage ist also, ob wir das Geld ausgeben, um endlich das KVB-Bahnnetz zu vergrößern – oder ob wir letzten Endes einfach zu lösende Probleme an zwei Innenstadt-Haltestellen mit maximalem Aufwand durch neue Probleme ersetzen. In diesem Zusammenhang nur folgende Stichworte: Fehlende Barrierefreiheit bei kaputten Rolltreppen und Aufzügen, Sicherheitsrisiken im Brandfall, Schaffung von Angsträumen, Abkoppeln des Mauritiusviertels vom Nahverkehr, Schädigung des innerstädtischen Handels durch jahrelange Großbaustellen, Zerstörung von Bodendenkmälern mit nationaler Bedeutung, ganz zu schweigen von Umweltbelastungen und Klimaschäden durch immensen Betonverbrauch.  Dr. Rolf Schmidt Köln

Neugestaltung des Neumarkts nur mit Tunnellösung möglich

Dem Kommentar von Tim Attenberger stimme ich zu. Die schon heute unerträgliche Trennung der Altstadt in einen Süd- und einen Nordteil durch die breite Schneise der „Durchbruchstraße“ wird sich durch den Einsatz von 90-Meter-Bahnen noch verstärken. Für Fußgänger wird die Querung immer schwieriger und langwieriger. Wegen der Durchfahrt von zwei „normalen“ Straßenbahnzügen und unverständlicher Ampelschaltung habe ich neulich als Fußgänger an der genannten, überaus engen Querung am Kunsthaus Lempertz zweieinhalb Minuten warten müssen.

Diese Wartezeit wird sich durch die monströsen 90-Meter-Bahnen noch verlängern. Die Beibehaltung des oberirdischen Straßenbahnverkehrs macht eine Neugestaltung des gesamten Ost-West-Straßenzugs und vor allem des Neumarkts unmöglich. Neugestaltung des Neumarkts kann nur bedeuten: Vollständige Entfernung der Fahrbahnen und der Bahntrassen an Nord-, West- und Ostseite. Nur dann wird der Neumarkt ein attraktiver Platz, ansonsten bleibt er eine große, schmuddelige Verkehrsinsel ohne Bindung an die angrenzenden Bereiche.

Sollten die Verantwortlichen den bisherigen Zustand beibehalten, so lässt sich vorhersagen, dass kommende Generationen für diese Entscheidung genau so viel Unverständnis aufbringen werden, wie wir heute für die autogerechten Planungen und Entscheidungen der 1950er und 1960er Jahre, etwa der Nord-Süd-Fahrt. Ulrich Hermanns Köln

Tunnellösung: Kosten und Nutzen stehen in keinem Verhältnis

Die Behauptung, im Tunnel käme die Stadtbahn „störungsfrei durch die Innenstadt“, ist nicht zutreffend. Denn Köln hat im Gegensatz zu anderen Metropolen eben keine U-Bahn, kein geschlossenes Metro-System, sondern eine Straßenbahn, die streckenweise unter Pflaster fährt und anschließend wieder im Straßenverkehr steht.

Daher wirkt sich selbstverständlich jede Störung, jeder Unfall auf der Straße auch auf die Bahnen aus, die dahinter im Tunnel stehen und warten müssen, bis die Störung behoben ist, oder gar nicht mehr weiterfahren können. Dies kann man als Fahrgast regelmäßig erleben.

Letzte Woche hat die Verwaltung außerdem bekannt gegeben, dass die Fahrtzeit der Stadtbahn im Tunnel nur um sage und schreibe drei bis vier Minuten verkürzt würde. Der Tunnel bringt keine Kapazitätserhöhung gegenüber der oberirdischen Lösung und eine nur drei bis vier Minuten kürzere Fahrtzeit! Dafür Milliarden zu verbuddeln in einer jahrzehntelangen Baustelle ist wirklich ein ungeheuerliches Vorhaben.

Diese Gelder und Personalressourcen sollten besser in den raschen oberirdischen Ausbau der KVB gesteckt werden, wo viele Teilstücke und die Schienen-Anbindung von Vororten fehlen. Angela Bankert Köln – Bündnis Verkehrswende Köln

Nur die Tunnellösung verspricht innovative Zukunftsorientierung

Es ist eigentlich wie immer in Köln: Wichtige Entscheidungen werden verschleppt und einige Jahre später gibt es wieder unnütze Vorschläge. Es ist klar, dass man in Köln nach dem katastrophalen Erdeinbruch am ehemaligen Stadtarchiv weniger entscheidungsfreudig ist, aber man muss zukunftsorientierte Innovationen umsetzen, sonst bleibt Köln Provinz.

Unsere Nachbarn zeigen, wie es geht: In Maastricht gibt es den 2,3 Kilometer langen doppelstöckigen König-Willem-Alexander-Tunnel, der in einer Bauzeit von nur vier Jahren fertiggestellt wurde. Henry Flock Köln

Eine Visualisierung zeigt die Nordseite des Neumarkts, die zu einer großen Fußgängerzone umgewandelt ist, mit Gastronomie und breiten Gehwegen.

Visualisierung des Neumarkts ohne Straßenbahngleise und ohne Autoverkehr

Tunnel birgt Gefahr des Verzugs von Kosten und Zeit

Oben oder unten – das ist hier die Frage. Auf Anhieb sage ich: Lieber unten, um oben mehr Platz zu haben. Die gestalterischen Vorteile und die erhöhte oberirdische Lebensqualität sind eindeutige Vorteile. Nun blickt aber die Stadt Köln nicht gerade auf eine rühmliche Geschichte beim Buddeln neuer U-Bahn-Tunnel zurück. Und welche öffentlichen Großbaustellen laufen schon planmäßig, was Zeit und Finanzen angeht? Sobald Bagger mit ihrer Arbeit in Köln beginnen, finden sie entweder Bomben oder archäologische Artefakte.

Tim Attenberger spricht in seinem Kommentar von einer einmaligen Chance – nun ja, für einen weiteren Beweis, dass die Stadt ebenso wie das Land öffentliche Großbaustellen nicht kann und alles wieder viel teurer und länger wird als veranschlagt? Dafür, dass dann wieder teure Juristen, Gutachter und Untersuchungsausschüsse feststellen sollen, was bei Planung, Bau und Vertragsabschlüssen alles schiefgelaufen ist?

Es gibt keine Infrastruktur-Projekte, bei denen auch nur annähernd etwas so geklappt hat, wie es einmal geplant und beschlossen wurde. Im Nachhinein will es dann wieder niemand gewesen sein, und was bleibt? Eine Menge Leute haben viel Geld damit verdient. Und die Bürger müssen das bezahlen, weil es mitten im Bau keine Alternativen mehr dazu gibt.

Die Stadt Köln blickt nicht gerade auf eine rühmliche Geschichte beim Buddeln neuer U-Bahn-Tunnel zurück
Stephan Jee

Die Verkehrswende braucht aber inzwischen möglichst schnell umzusetzende Lösungen, auch in Köln. Ja, es wäre wirklich schön, am Neumarkt eine attraktivere Platzgestaltung zu haben, doch Zeit und Geld sind knapp und werden immer knapper. Bevor wir in Köln oder anderswo wieder für Milliarden Löcher buddeln, müssen wir erst einmal lernen, wie man solche Bauvorhaben innerhalb der geplanten Zeit und Kosten umsetzt.

Eine Fertigstellung vor Weihnachten eines noch völlig unbekannten Jahres, in dem der Transportbedarf infolge der demografischen Entwicklung und eines massiv vorangeschrittenen Klimawandels nur noch marginal vorhanden ist, nutzt nur jenen, die jetzt an Planung und Bau ihren Reibach machen wollen. Stephan Jee Bedburg

Tunnelbau: Teuer, ohne Mehrwert

Die Straßenbahn in die zweite Ebene, und schon ist alles gut? Eitel Freude und Wonne auf der Cäcilienstraße, am Neumarkt, auf der Hahnenstraße? Statt Rollbahn für den Individualverkehr eine wunderbare Flaniermeile mit vielen Bäumen, Aufenthaltsflächen, Außengastronomie? Klingt gut – aber wo kommt der Individualverkehr hin? Der stört dann nicht mehr? Gibt es dann keine Ampeln mehr? Statt vollmundiger Visionen einiger fantasiebegabter Leute hätte ich gerne etwas konkretere Ansagen. 

Wie soll überhaupt der „gestalterische Mehrwert“ aussehen? Eine unverbindliche Worthülse, weiter nichts. Immerhin soll dieser „gestalterische Mehrwert“ eine runde Milliarde Euro kosten für bestenfalls drei Minuten Fahrzeitgewinn – wenn überhaupt –, und von den Erschwernissen für die Fahrgäste „dank“ dreifacher Tiefenlage des geplanten Ost-West-Tunnels ganz abgesehen. Da werden die gewonnenen drei Minuten schon zum Treppensteigen benötigt; heute geht es ebenerdig.

Also lassen Sie bitte die Langwagen oben fahren, gerne in optisch gut gestalteten Gleisbereichen, abgeschirmt durch niedriges Buschwerk und mit anspruchsvoll gestalteten Haltestellen. Das bekommt man für 100 Millionen Euro, eventuell auch 150 Millionen Euro. Immer noch viel Geld, aber gegen die Milliarde für einen Tunnelbau ohne jeden Mehrwert ein Schnäppchen.  Reinhard Schulz Köln

Tunnellösung: Erschwerter Zugang für gehbehinderte Menschen

Zunächst zu den 90-Meter-Bahnen: Warum wäre es denn keine Lösung, in kürzeren Zeittakten zu fahren, statt solche Monsterzüge einzusetzen? Der Fahrer hat überhaupt keinen Überblick mehr über den letzten Wagen, die Sicht ist heute schon mangelhaft. Außerdem legt man als Fahrgast auf dem Bahnsteig erst mal eine Marathon-Strecke zurück, um den gewünschten Wagen zu erreichen. 

Dann zum U-Bahn-Bau generell: Er wird teuer, sehr teuer, und wie man aus bitterer Erfahrung weiß, werden sich die Kosten am Ende wahrscheinlich auf das Doppelte belaufen. Wie man in der Severinstraße gesehen hat, wirkt sich ein U-Bahn-Bau für die anliegenden Geschäfte tödlich aus und bedeutet für die Anwohner eine Zumutung auf sehr lange Zeit.

Die angebliche Zeitersparnis wegen fehlender Ampeln in einem Tunnel dürfte bei der relativ kurzen Strecke wohl geringfügig sein. Auf den bestehenden U-Bahn-Strecken stehen die Bahnen auch jetzt oft für lange Zeit still – ohne ersichtlichen Grund. 

Und noch ein ganz wichtiger Grund spricht gegen U-Bahnen: Seit ich gehbehindert bin, ist es für mich wegen der großen Zahl an defekten Rolltreppen und Aufzügen kaum noch möglich, mit der Bahn zu fahren. Dieser Umstand ist für viele Menschen mit Rollstuhl, Rollator und Kinderwagen ein großes Problem. Ein weiterer Pluspunkt für oberirdisch fahrende Bahnen schließlich ist, dass man etwas von der Umwelt sieht, statt durch eine dunkle Röhre zu brausen.  Karin Görres Köln

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