Ärger um Wasserkraft in NRWTurbinen schreddern jährlich Millionen Lachse, Aale und Meerforellen

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Wasserkraftanlage an der Agger

Eine Wasserkraftanlage an der Agger in Osberghausen im Oberbergischen Kreis – die Anlagen sind Anglern in NRW ein Dorn im Auge.

Die Angler in NRW fühlen sich von der Politik stiefmütterlich behandelt. Sie protestieren gegen aus der Zeit gefallene Kraftwerke und Betretungsverbote von Schutzgebieten.  

Helmut Wuttke steht mit einer großen Wanne in der Wupper bei Radevormwald. In dem Gefäß befinden sich junge Lachse, die der Vorsitzende des Bergischen Fischerei-Vereins und seine Mitstreiter in einer Aufzuchtanlage aufgezogen haben. „Jetzt kann man nur beten, dass einige tatsächlich den Weg bis in Meer schaffen“, sagt Wuttke im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Bis die Wupper bei Leverkusen in den Rhein mündet, müssen die Lachse fünf Wasserkraftwerke passieren. „Die meisten werden von den Turbinen geschreddert“, beklagt der ehemalige Polizeibeamte. „Es ist eine Tragödie, dass sich niemand ernsthaft um Abhilfe kümmert.“

„Wanderfische werden zerhäckselt“

Wuttke engagiert sich seit Jahrzehnten im Wanderfischprogramm von NRW. „Obwohl die Probleme lange bekannt sind, passiert nichts“, sagt der Wuppertaler. „Die Tragödie spielt sich unter der Wasseroberfläche ab, deswegen scheint sich kaum jemand dafür zu interessieren.“ Die zuständigen Behörden seien unterbesetzt und griffen nicht durch. „Jedes Jahr werden Millionen von Fischen, insbesondere aber Wanderfische wie Lachse, Meerforellen und Aale, in unzureichend geschützten und teilweise verzichtbaren Turbinen in Stücke gehäckselt.“ Das sei „ein Desaster“ für den Tier- und Artenschutz. „Die Landespolitik lässt das Problem links liegen“, ärgert sich Wuttke.

An den Flüssen von NRW gibt es 279 Wasserkraftwerke mit einer Leistung von weniger als 100 kW. Das entspricht zusammengenommen gerade einmal der Leistung zweier moderner Windenergieanlagen. „Bei Wasserkraftwerken, die weniger als ein Megawatt Strom produzieren, ist der ökologische Schaden größer als der Nutzen“, sagt Michael Möhlenkamp, Geschäftsführer des Fischereiverbands NRW, dieser Zeitung.  Vor allem Fische, die Richtung Meer wandern, hätten so gut wie keine Chance, die Passage durch die Turbinen zu überstehen. „Weil sie sich am Hauptwasserstrom orientieren, kann man sie meist nicht an den Kraftwerken vorbeileiten. Beim Aal, der europäisch geschützt ist, haben wir daher Verlustquoten von bis zu 100 Prozent“, so Möhlenkamp.

Aktuell gibt es in NRW rund 230 000 organisierte Angelfischer.  Die SPD-Fraktion fordert die Landesregierung jetzt in einem Antrag auf, die erfolgreiche Tradition des Angelns „nicht vom Haken“ zu lassen. Viel zu häufig müssten die Angler verstümmelte und getötete Fische flussabwärts hinter kleinen Wasserkraftwerken bergen, heißt es.  „Die Landesregierung sollte ihr Ausbauziel daher ganz einfach von 1000 auf 1002 Windräder in dieser Legislatur erhöhen“, sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD, René Schneider. „Dann kann man sich die Kleinstwasserkraft sparen, rettet massenhaft Fische und verbessert den ökologischen Zustand der Flüsse nachhaltig.“

BUND will Angler aussperren

Ein weiters Ärgernis für viele Angler: In vielen Schutzgebieten gilt für sie ein Betretungsverbot. „Angler werden aus Naturschutzgebieten oft ausgesperrt“, sagt Michael Möhlenkamp vom Fischerverband.  Dies sei zum Beispiel am Rhein und in Bereichen der Lippe ein Ärgernis. Vielfach fehlten konkrete Schutzziele, denen das Angeln entgegenstehe. „Wenn ein Verbot erstmal ausgesprochen wurde, ist es sehr schwer, es wieder aufzuheben, auch wenn sich zum Beispiel Vögel, die geschützt werden sollen, längst andere Brutorte gesucht haben“, so Möhlenkamp.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz sieht das anders. „Der BUND spricht sich gegen jegliche Lockerung zugunsten des Angelns in Schutzgebieten aus“, sagte Geschäftsführer Dirk Jansen unserer Zeitung. „Im Gegenteil: Es müsste viel klarer gesetzlich geregelt werden, dass in Naturschutzgebieten die Ausübung der Fischerei grundsätzlich verboten ist. Ziel muss es sein, selbstgesteuerte Ökosysteme zu etablieren und menschliche Eingriffe weitestgehend zu unterlassen.“ Auch die Angelei außerhalb von Schutzgebieten müsse sich „viel stärker an Biodiversitätskriterien“ ausrichten.

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