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Bei Trotz und WutErziehungshilfe von Jesper Juul, die alle Eltern gebrauchen können

Lesezeit 4 Minuten
Wie sollen Eltern nur reagieren, wenn das Kind wieder einmal einen Wutanfall in der Öffentlichkeit hat?

Wie sollen Eltern nur reagieren, wenn das Kind wieder einmal einen Wutanfall in der Öffentlichkeit hat?

Köln – Es gibt Situationen, die wohl jedes Elternteil kennt, wie den Klassiker im Supermarkt. Wenn das Kind an der Kasse zu quengeln beginnt und irgendwann wütet, weil es gern eine Süßigkeit hätte. Es gibt aber weitere Alltagsmomente, die viele Eltern kennen. Wir haben den renommierten dänischen Familientherapeuten und Bestseller-Autoren Jesper Juul um Tipps für solch typische Situationen gebeten.  

Situation 1: Die Kinder streiten

Die Kinder streiten miteinander und ich als Mutter schimpfe und schreie sie an, nicht so laut und grob zu sein. Sie antworten: „Hey, Mama, du schreist doch selbst…“ Wie sollte ich darauf reagieren?

Jesper Juul: Sie sollten dem Kind sagen: „Ja, du hast absolut recht. Lass uns alle aufhören zu schreien.“

Wenn Geschwister mehr oder weniger konstant streiten, gibt es verschiedene Vorgehensweisen. Sagen wir, die Kinder sind 5 und 7 Jahre alt. In diesem Alter geht es bei den Konflikten oft um einen Abgleich und das Etablieren einer Hierarchie und das sollten Sie nicht zu stoppen versuchen. Mein erster Schritt wäre dieser: „Hört zu, ich mag es nicht, wenn ihr so oft und brutal streitet, ich hab das Gefühl, ich muss euch helfen. Ich würde gern zwei Dinge von euch wissen: Braucht jemand von euch meine Hilfe? Was kann ich besser machen?“ Je nachdem, wie sie antworten, können Sie dann in eine bestimmte Richtung weitergehen, in der sie alle besser klar kommen. Sie sollten sich jedoch bewusst sein, dass es Monate dauern kann, bis sich die Gewohnheiten ändern und sich die Kinder an andere Konfliktlösungs-Methoden gewöhnen.

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Situation 2: Wutanfall im Supermarkt

Der Klassiker: Mein Kind bekommt an der Supermarktkasse einen Wutanfall, weil es Süßigkeiten haben möchte. Ich habe es eilig und einen Termin im Nacken. Sollte ich also einfach nachgeben und meinem Kind kaufen, was es fordert?

Jesper Juul: Können Sie sich vorstellen, welche Botschaft sie Ihrem Kind damit senden? Beim nächsten Mal wird es denken: „Ich warte ab, bis Mama es mal wieder eilig hat und dann bekomme ich Süßigkeiten.“ Keine clevere Lösung.

In dieser klassischen Situation ist es besser, dem Kind laut und deutlich „NEIN“ zu sagen. Und dann an den Süßigkeiten vorbeizugehen, egal, was das Kind dann tut. Es ist besser, wenn andere Sie als vermeintlich „schlechte Mutter“ sehen, als eine Mutter zu sein, deren Autorität untergraben wird.

Situation 3: „Bitte länger fernsehen“

Die Kinder wollen länger Fernsehen schauen, als abgemacht. Ich genehmige ihnen zehn weitere Minuten – ich komme ihnen also entgegen. Trotzdem werden sie wütend, als ich nach zehn Minuten das TV-Gerät abschalte. Das macht mich wiederum wütend, weil sie immer mehr wollen, als sie kriegen. Wie sollte ich damit umgehen?

Jesper Juul: Da gibt es zwei Wege, bevor es zu dieser Situation kommt. Einer ist, die Kinder zu fragen: „Wie lange würdest du denn gern noch gucken?“ Und egal, wie ihre Antwort ist, sagen Sie: „Ich erlaube zehn weitere Minuten oder wir schalten direkt ab.“ Und dann sollten Sie auch wirklich nach zehn Minuten abschalten.

Der andere Weg ist, den Kindern von Anfang an keine Verlängerung zu gewähren und den Fernseher wie vereinbart auszuschalten. Mit keinem der beiden Wege machen Sie sich beliebt, aber sie werden Ihren Kindern nicht schaden und es ist gut für Ihre Selbstachtung. Sie bringen Ihren Kindern damit bei, dass ihre Mutter zuverlässig und nicht manipulierbar ist. Nach zehn bis 15 Malen wird dieser Konflikt verschwinden.

Situation 4: Schimpfworte

Das Kind ist sauer und nennt mich „Idiot”. Ich sage ihm, dass es solche Wörter nicht benutzen soll. Und dann lacht es. Hahaha. Was sollte ich tun?

Jesper Juul: Versuchen Sie nicht, zu kontrollieren, wie Ihr Kind redet. Versuchen Sie es stattdessen hiermit: „Ich mag es nicht, Idiot genannt zu werden, aber du darfst mir gern sagen, was ich falsch mache und nicht zu verstehen scheine.“

Situation 5: „Noch nicht ins Bett“

Meine Kinder wollen am Abend nicht ins Bett. Sie rufen mich, weil sie auf Toilette müssen. Dann haben sie Hunger. Dann Durst. Es geht immer so weiter. Darf ich dann sagen: „Nein, du gehst jetzt nicht mehr auf die Toilette“?

Jesper Juul: Ja, aber ich bevorzuge folgenden Weg. Wie wäre es mit diesem Satz zu Ihrem Kind: „Du fragst mich nach lauter Dingen, die du nicht wirklich brauchst. Weißt du,was du wirklich von mir willst?“ Wenn das Kind dann mit einem „Nein“ antwortet, sagen Sie: „Okay, aber denk mal mal drüber nach und sag mir dann Bescheid, schlaf gut.“

Irgenwann wird ihr Kind Ihnen eine Antwort geben. Und und wenn nicht, können Sie ihm Dinge vorschlagen, wie „Vielleicht bist du noch nicht so weit, deinen Tag zu beenden? Was fehlt dir noch?“ oder „Kann es sein, dass du dir noch ein bisschen Zusammensein wünschst, bevor du einschläfst?“! oder „Freust du dich auf's Schlafen?“ Solch eine Botschaft ist entscheidend und wichtig für die Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Kind. Sie besagt: „Ich gebe dir was du brauchst, aber nicht immer das was du willst!“

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