„Heute-Journal“-Moderatorin Dunja HayaliMein Vater, die Frauen und ich

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Die Moderatorin des "heute-Journals" Dunja Hayali. (Bild: Knieps)

Die Moderatorin des "heute-Journals" Dunja Hayali. (Bild: Knieps)

Vater, Mutter, ein Sohn, zwei Töchter – das ist die Familie Hayali in Deutschland. Die perfekte Familie, denn mein Bruder Nahed ist auch noch der Erstgeborene. Aber ob nun Erst-, Zweit oder Drittgeborener, welchen Stellenwert ein Sohn in unserer arabischen Familie hat, zeigt schon die traditionelle Begrüßung: „Hallo Vater von Nahed, hallo Mutter von Nahed, schön, dass ihr da seid.“ Nur nebenbei: Diese Begrüßung findet immer so statt, völlig egal, ob Nahed nun anwesend ist oder nicht. Als Tochter stand ich daneben und dachte: Schön, ich bin auch noch da, aber das scheint niemanden zu interessieren.

Im Lauf der Zeit habe ich mich dagegen gewehrt und ein „Hallo Vater von Dunja“ durchgesetzt. Am Anfang dachten sowohl meine Eltern als auch die Gastgeber, es sei ein Spaß, aber nach Jahren des Korrigierens merkte auch der Letzte, dass ich es ernst meine. Mein kleiner erster Erfolg gegen das arabisch-patriarchalische Machtgefüge.

Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der die arabische Kultur eine große Rolle spielt – und die Erziehung folgendermaßen aussah: Mein Bruder durfte alles, meine Schwester nichts, und ich Sturkopf nahm mir einfach meine Freiheiten. Außerdem waren meine Eltern etwas zu alt und müde, um sich noch gegen mich durchzusetzen. Im Übrigen habe ich ja eine Schwester, die meine Eltern zuvor versucht hatten zu ändern – wenn auch meist erfolglos.

Meine Schwester Maha und mich trennen zwar elf Jahre, und meist kämpft eine Fünfzehnjährige andere Kämpfe als eine Vierjährige, aber ich habe damals gelernt, mich mit meiner Schwester gegen das arabische Patriarchat meines Vaters aufzulehnen. Wir waren nie Konkurrentinnen, sondern haben uns immer geholfen, auch weil wir erkannt haben, dass wir so viel mehr erreichen können. Eine Erfahrung, die mich geprägt hat. Auch weil ich gesehen habe, wie sich mein Vater durch uns, durch unsere Stärke, unseren Zusammenhalt geändert hat. Kurzum: Das heimische Patriarchat ist Geschichte. Und doch: Es lebe das Patriarchat.

Denn, auch wenn ich es ungern zugebe, weite Teile unserer Gesellschaft sind immer noch von Männern dominiert: Es gibt keine einzige Frau, die einen Fußballklub in der ersten Bundesliga bei den Männern managt, kaum Frauen, die im Vorstand großer Unternehmen sitzen, selbst in meinem Umfeld finde ich nur wenige Frauen in Spitzenpositionen, in der Programm- und Chefredaktion, im Verwaltungs- und Fernsehrat. Es klingt abgedroschen, aber leider entspricht es immer noch der Wahrheit.

Doch woran liegt das? Es nur auf das Patriarchat zu schieben wäre zu leicht. Genauso leicht, wie sich darauf auszuruhen oder sich nur darüber zu beschweren. Meine überschaubare Erfahrung von fünfunddreißig Jahren zeigt mir, dass sich zu viele von uns einfach selbst im Weg stehen. Das mag auch daran liegen, dass Frauen oftmals andere Frauen – und nicht, wie vielleicht vermutet, die Männer – als größere Gegner beziehungsweiswe als die größere Bedrohung auf dem Weg nach oben sehen. Synergien schaffen, sich verbünden, sich helfen und unterstützen, so wie es uns die Männer vorgemacht haben – das kommt für Frau noch viel zu selten infrage.

Bloß keine Schwäche zeigen, bloß keine Berufs- und Erfolgsgeheimnisse preisgeben und teilen, keine andere Frau neben sich dulden. Das sollten wir ändern. Und glücklicherweise gibt es mittlerweile Ausnahmen – einigen von ihnen durfte ich auf meinem Berufsweg schon begegnen. Dies alles hören wir natürlich nicht gern, denn andere Erklärungen, zum Beispiel, dass die Männer an allem schuld seien, sind deutlich bequemer. Doch solange wir in den Grundzügen so denken, wird sich die alte Herrschaftsform nicht knacken lassen, wird es uns nicht gelingen, die Stammbaumlinie des vermeintlich starken Geschlechts zu durchbrechen.

Aber das zu erreichen ist unsere Aufgabe, nicht die der Männer. Und solange wir die Männer nicht gemeinsam und ernsthaft herausfordern, schauen sie einfach weiterhin gelassen zu, wie wir uns selbst im Weg stehen. Warum auch nicht?

Mein Vater hat sich lange gegen das Aufbrechen seines kleinen Patriarchats gewehrt, aber am Ende erkannt, dass er gegen unseren Zusammenhalt nichts ausrichten kann und es besser ist, wenn er uns unterstützt, unsere Stärken fördert, uns vertraut und uns nicht kleinhält. Ich weiß, es war kein leichter Weg für ihn. Dass er ihn dennoch gegangen ist, dafür danke ich ihm sehr.

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