Historisches GemäuerUm die Alte Kirche in Blankenheim-Alendorf ranken sich viele Rätsel

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Die Alte Kirche von außen betrachtet: umgeben von Wiesen und einigen Bäumen.

Außerhalb des Ortes an einem Hang gelegen: Die „Alte Kirche“ von Alendorf birgt viele Geheimnisse.

Günter Schneider aus dem Blankenheimer Außenort Alendorf widmet viel Freizeit der Geschichte des Gotteshauses - einem Ort mit zahlreichen Geheimnissen.

Das kleine Alendorf ist nicht nur als ein Ort mitten in der „Toskana der Eifel“ bekannt. Der Ort hat auch zwei Kirchen. Um die heutige „Alte Kirche“ am Ortsrand oberhalb des Friedhofes ranken sich viele Rätsel – zum Beispiel um zwei jahrhundertealte Grabplatten auf dem Boden vor dem Altar.

„Da ist man 300 Jahre lang drübergelaufen“, sagt Günter Schneider und deutet auf den Boden vor dem Chor in der „Alten Kirche“ seines Heimatdorfes. Man sieht zuerst nur zwei große Sandsteinplatten zwischen ebenfalls schon älteren größeren quadratischen Steinblöcken, die wie nachträglich eingefügt wirken, sowie die wesentlich kleineren quadratischen Sandsteinplatten aus der letzten Kirchenrenovierung zwischen 1960 und 1967.

Günter Schneider zeigt auf die Grabplatten in der Kirche.

Der Alendorfer Günter Schneider hat viel zur Historie der Alten Kirche in Alendorf recherchiert und auch einige Erklärungen gefunden. Aber es gibt immer noch etliche Rätsel.

Das Gotteshaus mit dem wuchtigen viergeschossigen und fensterlosen Westturm unter dem Rhombendach ist heute nur noch Friedhofskapelle. Der Außenputz des Bruchsteingebäudes bedürfte mindestens auf der Wetterseite zum Hang hin eines Neuanstrichs. Jüngeren Datums ist allenfalls das Schieferdach.

In der Regel ist Alendorfs „Alte Kirche“ mit der markanten Lage heute verschlossen und wirkt ein bisschen vergessen. „Am Palmsonntag allerdings geht von hier aus eine Palm-Prozession hinab ins Dorf zur neuen Pfarrkirche, die ebenfalls der heiligen Agatha geweiht ist“, sagt Schneider. Ansonsten interessiert sich so gut wie niemand dafür, was unter dem Boden vor dem Chor, über den 300 Jahre lang „gelaufen wurde“, liegen könnte.

Hat Alendorfer Pfarrer eine ganz besondere Grabstätte für seine Eltern ausgewählt?

Günter Schneider schon. Er hat die alten Totenregister der Pfarrei Alendorf, die in einer Abschrift „eines Waldorfers“ aus dem Bistumsarchiv Aachen vorliegen, studiert: Die Bodenplatten bedecken die Grabstätten von Barbara Lindweiler, gestorben am 26. September 1726, und ihres Ehemannes Johann Lindweiler, der schon am 30. April desselben Jahres gestorben war.

Es handelt sich um ein bürgerliches Ehepaar. Keine auch nur entfernt mit dem Herrschergeschlecht der Grafen Manderscheid-Blankenheim verwandten Adeligen haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden.

„Das sind die Gräber der Eltern des damaligen Pfarrers, Bernhard Hilger Lindweiler, der von 1722 bis 1755 in Alendorf tätig war“, berichtet Schneider. Doch warum wurde den Eltern des damaligen Pfarrers diese hohe Ehre zuteil? „Wir wissen es nicht“, sagt Schneider.

Zwei Grabplatten sind zu sehen, getrennt durch wesentlich kleinere quadratische Sandsteinplatten. Im Hintergrund steht eine Kirchenbank.

Die rätselhaften Grabplatten auf dem Boden der „Alten Kirche“.

Auch Historiker wie Johannes Becker in seiner „Dekanatsgeschichte“ von 1893 oder der gestorbene Ortshistoriker Josef Bach in seiner „Chronik von Alendorf“ geben hierzu keine Auskunft. Vielleicht habe der Sohn es seinen Eltern zuliebe einfach verfügt, vermutet Schneider. Wer hätte damals dem Herrn Pfarrer schon widersprochen?

Diese Hintergründe sind im Laufe der vergangenen 300 Jahre vergessen worden, die sichtbaren Spuren der Gräber der Eheleute Lindweiler wortwörtlich verwischt und abgetreten. Wer ganz genau hinsieht, der kann immerhin auf der Platte des Grabes von Johann Lindweiler erkennen, „dass da was draufsteht“, so Günter Schneider. Mehr nicht. Man müsste die Grabplatten professionell reinigen oder konservatorisch auf mögliche Schriftspuren oder Dekorelemente im Sandstein untersuchen, um Genaueres zu erfahren.

Neben einem „Fratzengesicht“ wird der Kopf eines Bischofs gezeigt 

Erkennbar ist zweifelsfrei, dass sich zwischen den beiden Gräbern eine Bodensenke gebildet hat. Hinweis auf einen Hohlraum?

Wäre dies das einzige Rätsel in Alendorf? Vergleichbare Fragen stellen sich wenige Kilometer entfernt in der Pfarrkirche von Esch, das schon zu Rheinland-Pfalz und damit zum Bistum Trier gehört.

Doch die offenen Fragen um Alt St. Agatha von Alendorf hören nicht auf: Warum etwa sind die aus den Wänden unter den spätgotischen Gewölbestützen heraustretenden „Gurtträger“ mit einem „Fratzengesicht“, aber auch mit dem eines Bischofs verziert? Warum trägt der Schlussstein im Netzgewölbe des Chors das Wappen der Grafen von Manderscheid – einen gezackten Balken –, aber nicht das des liierten Grafenhauses Manderscheid-Blankenheim aus dem Blankenheimer Löwen und dem Balken.

Das Bild zeigt den Pfeilerbündelträger. Die dargestellte Person hat gelbe Haare, ein rosafarbenes Gesicht und grüne Kleidung.

Wen stellt dieser Pfeilerbündelträger im Kirchenschiff dar? Auch das ist eine der offenen Fragen.

Wobei doch mutmaßlich Salentin von Manderscheid-Blankenheim (1644-1694) die erste Erweiterung des 1494 erbauten Gotteshauses um eine kleine Seitennische, spätestens 1687, vorgenommen hat.

Damals vollendet sich eine Linie kleiner Sakralbauten in Alendorf: von der „Alten Kirche“ auf der Anhöhe am Ortsrand und dem Kalvarienberg gegenüber. Dort stand seit 1663 eine Kapelle, von deren Grundmauern heute noch Reste auf dem Plateau zu sehen sind.

Dazwischen wurden 1680 die ersten sieben Stationen eines barocken Kreuzweges aufgestellt, der später vervollständigt wurde. Heute sind noch alle 14 Stationen inklusive des großen Kreuzes auf dem Kalvarienberg zu sehen, einige der Bildstöcke aus rotem Sandstein wurden später erneuert.

Eine der Glocken in Alendorf wurden zu Beginn des Zweiten Weltkrieges eingeschmolzen

Barock ist auch der Hochaltar in der „Alten Kirche“, spätgotisch aus der Erbauungszeit sind wiederum ein schönes Sakramentshäuschen im Chor, entdeckte Freskenreste der einstigen Ausmalung des Kirchenschiffes und die bemalten Büsten unter Pfeilerbündelträgern des Kreuzgewölbes.

Doch warum sind dann die ältesten der Glocken, deren Wohlklang einst weithin bekannt gewesen sein soll, deutlich älter als das allgemein angenommene Baudatum der Kirche selbst? Johannes Becker glaubt, dass die „kleinste“ Glocke aus dem Jahre 1416 stammt, die zweitälteste von 1457. Die dritte, die ebenfalls noch erhaltene „Mittagsglocke“, wurde wahrscheinlich 1515 gegossen, so Günter Schneider.

Doch hatte Alendorfs allererste kleine Kapelle, die aus der Zeit der Romanik stammte und in der Ortsmitte stand, tatsächlich mindestens zwei Glocken? Oder wurde das Geläut mit dem Neubau der „Alten Kirche“ von der nicht näher bekannten „Stiftung“, die den Bau finanzierte, zugekauft? Auch diese Fragen bleiben unbeantwortet.

Alt-St.-Agatha hatte immer schon einen hohen Sanierungsbedarf

Die größte und vierte Glocke in der „Alten Kirche“ allerdings wurde spätestens mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im Turm zerschlagen und für Kriegszwecke eingeschmolzen. Ein Abtransport aus ihrem Gehänge war aufgrund des Gewichtes nicht möglich.

„Sie wurde 1963 in Brockscheid nachgegossen“, erklärt Günter Schneider. Der heute 83-Jährige war dabei, als sie im Glockengießerdorf abgeholt wurde. „Als sie dann im Kirchturm aufgehängt wurde, war das in Alendorf ein großes Ereignis“, erinnert er sich noch lebhaft an seine Jugendzeit.

Die „Alte Kirche“ von Alendorf ist heute eingefasst von der 1965 erneuerten Bruchsteinmauer, die auch den ersten Friedhof um das Gotteshaus einschließt. Wer davor steht, entdeckt weitere historische Spuren: Kreuze und Grabsteine sogar noch aus dem 16. Jahrhundert. Oder die letzten der 650 Buchen, die 1827 von Pfarrer Johann Baptist Klink gepflanzt wurden und eine sichere Schutzhecke gegen „Sturm und Regen“ bieten sollten, wie es in den Annalen heißt.

Nicht ohne Grund: „Die Kirche hatte immer einen hohen Sanierungsbedarf“, so Günter Schneider. Seit Jahrzehnten sei ein Neuanstrich der Fassade nötig.

Doch eines sucht man in Alt-St.-Agatha und drum herum vergeblich: das Grab von Pfarrer Bernhard Hilger Lindweiler, der zwischen 1722 und 1755 hier Pfarrer war und der mutmaßlich seinen Eltern den Vorzugsplatz vor dem Altar gönnte. „Wir wissen nicht, wo er beigesetzt worden ist“, zuckt Günter Schneider ratlos mit den Schultern.

Ein Rätsel mehr um eine rätselhafte kleine alte Kirche, die wie vergessen wirkt.

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