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Hochwasserschutz
WVER erklärt, warum die Talsperren-Planung in der Eifel so lange dauert

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Das Bild zeigt den Platißbach wenige Monate nach der Flutkatastrophe 2021. Auf rund 40 Metern war in der Höhe des Campingplatzes der Hang zum Platißbach abgerutscht.

Schwere Schäden hatte die Flut 2021 auch an den Gewässern verursacht, teils ihre Struktur und ihren Lauf verändert. Am Platißbach etwa war in Höhe des Hellenthaler Campingplatzes der Hang auf rund 40 Metern abgerutscht.

In der Eifel wird ein Hochwasserschutzkonzept erstellt und bei Hellenthal eine Talsperre geplant. Der WVER gibt ein Update zum Planungsstand.

Von Herausforderungen, von denen vor der Flutkatastrophe niemand etwas geahnt hat, spricht Frank Peter Ullrich, der Verbandsratsvorsitzende des Wasserverbands Eifel-Rur (WVER). Als Generationenprojekt bezeichnet Vorstand Dr. Joachim Reichert all das, was er und seine Kollegen sowie die Kreise und Kommunen in Sachen Wiederaufbau und Hochwasserschutz vor der Brust haben.

Selbst wenn es zuweilen vermeintlich quälend langsam vorangeht, sagt Reichert auch: „Wir brauchen einen langen Atem. Aber jede Maßnahme, jeder Mosaikstein, bringt einen Nutzen.“ Er erklärt, warum das so ist – und warum aus Sicht des Verbands alles im Zeitplan liegt.

WVER-Chef nennt Grundsätzliches beim Hochwasserschutz

Fünf bis zehn Jahre sind die Zeithorizonte, in denen die Planer bei Hochwasserschutzprojekten agieren. Logischerweise dauert nicht alles gleich lange. Ein Rückhaltebecken ist in der Regel deutlich schneller zu planen und zu realisieren als eine Talsperre.

„Dann nehmen wir lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“, sagt Reichert etwa mit Blick auf die Pläne an Platiß und Prether Bach. Er nennt etwa ein Rückhaltebecken im Bereich des Reifferscheider Bachs. Rückhaltebecken seien häufig als begrünte Dämme ohne große Staubauwerke umsetzbar – und damit mit recht wenig schmerzlichen Einschnitten für die Bevölkerung verbunden.

Für zwei Kubikmeter mehr Rückhaltung werden wir nicht mit dem Bagger durch die Landschaft fahren.
Dr. Joachim Reichert, Vorstand WVER

Denn egal, ob Talsperre oder Rückhaltebecken gebaut werden sollen: „Für zwei Kubikmeter mehr Rückhaltung werden wir nicht mit dem Bagger durch die Landschaft fahren“, sagt Reichert: Die Einschnitte in die Landschaft und vor allem ins Hab und Gut der Menschen sollen so gering wie möglich gehalten werden. Der WVER-Chef geht davon aus, dass das gelingt: „Ich bin überzeugt, dass wir die Plätze finden, wo wir bauen können. Und dass ein toller Hochwasserschutz entsteht.“

Für die neue Talsperre bei Hellenthal wird eine Machbarkeitsstudie erstellt

Seit Jahrzehnten ist der Bau der Platißbach-Talsperre bei Hellenthal im Regionalplan verankert. Jahrzehntelang haben die Pläne dort vor sich hingeschlummert, bis sie nach der Flut und den verheerenden Schäden im Schleidener Tal wieder hervorgeholt worden sind. „Wir wollen Hellenthal und Schleiden durch die Talsperre besser schützen“, sagt Reichert und erwähnt als einen weiteren Zweck ebenso die Sicherung der Trinkwasserversorgung.

Vor zwei Jahren haben die Verantwortlichen den Startschuss für die Planung gegeben. Seitdem sind die Anwohner an Platiß- und Prether Bach besorgt, ob sie möglicherweise ihre Häuser verlieren werden. Doch der Bau einer Talsperre ist in den nächsten Jahren nicht in Sicht – das Verfahren ist genauso komplex wie langwierig.

Jetzt Orte zu nennen, führt nur zu falschen Schlüssen und Sorgen, wo es nicht nötig ist.
Dr. Joachim Reichert, Vorstand WVER

Reichert erklärt, dass das renommierte Ingenieurbüro Tractebel mit der Erstellung der Machbarkeitsstudie beauftragt worden sei. Ein zwei- bis dreiköpfiges Team arbeite „hauptberuflich“ daran, mit der Fertigstellung wird im nächsten Jahr gerechnet.

Zunächst sei geprüft worden, wo im Gelände entsprechende Vertiefungen und Anstiege sind, wo man mit kleinem Aufwand Wasser speichern könnte. Etwa zwei Dutzend potenzielle Standorte für eine Talsperre seien so identifiziert worden, genauso viele für Rückhaltebecken. „Ein Ranking gibt es dabei nicht“, sagt Reichert.

Im nächsten Schritt werden die Areale auf ihre wasserwirtschaftliche Machbarkeit hin untersucht – mögliche Abflüsse nennt Reichert hier als ein Thema, ebenso die Beantwortung der Frage, „was unterhalb trocken gehalten werden kann“. Nach zahlreichen Berechnungen könne man dann sehen, welche Standorte überhaupt sinnvoll sein könnten. Und dann gehe es im dritten Schritt an die potenziellen Restriktionen: Was ist in Sachen Naturschutz zu beachten? Wo verlaufen welche Straßen? Wie sieht's mit den Häusern aus?

Daher sei derzeit noch völlig unklar, was Sinn mache: Eher eine große Talsperre? Oder doch besser eine kleinere, kombiniert mit mehreren Rückhaltebecken? Und eben deswegen gehe man derzeit nach dem „Closed Shop“-Prinzip vor, so Reichert: „Jetzt Orte zu nennen, führt nur zu falschen Schlüssen und Sorgen, wo es nicht nötig ist.“

Hochwasserschutz-Planung im Südkreis Euskirchen „startet durch“

Ein gemeinsames Hochwasserschutzkonzept haben sich die Anrainer von Urft und Olef auf die Fahne geschrieben: Neben den Kommunen Blankenheim, Dahlem, Hellenthal, Kall, Nettersheim und Schleiden ist der Kreis Euskirchen im Boot, die Koordination übernimmt der WVER. Dieses Konstrukt ist erforderlich, da der WVER, anders als beispielsweise an Inde und Vicht, nicht für die Gewässerunterhaltung zuständig ist.

Das ist laut Reichert in der Frühphase des WVER vor gut 30 Jahren begründet, als bei Kommunen die Einstellung herrschte, das Wasser „selbst im Griff“ zu haben. Spätestens seit der Flutkatastrophe sei jedoch allen klar: „Lokaler Hochwasserschutz bringt nichts, er ist immer integral.“

Doch warum dauert es nun an Urft und Olef so lange, während es im Masterplan für Inde und Vicht bereits mehr als 200 Maßnahmenvorschläge gibt? „Das betrübt uns auch“, sagt Reichert. Doch das mit dem neuen Konzept und dem Hochwasserschutz aus einer Hand habe man auch bei der Bezirksregierung lernen müssen.

Dr. Joachim Reichert, Vorstand des WVER, steht vor einem Fenster, dessen grüner Rahmen im Hintergrund zu erahnen ist.

Dr. Joachim Reichert ist Vorstand des WVER.

Dass es beispielsweise nicht eine Kommune als einen Antragsteller gibt, sondern der WVER das für alle Beteiligten mache. Für die Verzögerungen macht er zudem die enorme Bürokratie verantwortlich – und etwas, für das niemand etwas kann: den Generationenwechsel, der auch in der Bezirksregierung in vollem Gange ist. „Die Alten nehmen viel Wissen mit. Und die Jungen agieren in ihrer Startphase zuweilen noch formeller.“

Seit November ist nun der förderunschädliche Maßnahmenbeginn genehmigt. „Jetzt können wir durchstarten“, so Reichert. Untätig sei man in den vergangenen Jahren ohnehin nicht gewesen. Nicht nur, dass die Kommunen an den Maßnahmen gearbeitet haben, die unabhängig vom „großen“ Schutzkonzept zu betrachten und umzusetzen sind. Unter anderem seien die Gewässer, deren Struktur und Aussehen die Flut deutlich verändert hat, allesamt neu vermessen worden. Und: „Auch für Urft und Olef sind bereits Dutzende Vorschläge da.“

Ein Prognose-System ist auch für Urft und Olef in Aussicht

Ein auch für die Eifel-Flüsse spannendes Pilotprojekt ist an Inde und Vicht gestartet: Hüpros – das Hochwasser-und Überflutungsprognosesystem für kleine Mittelgebirgseinzugsgebiete. Neben dem WVER arbeiten Forscher der RWTH Aachen, der Uni Duisburg-Essen, des Forschungszentrums Jülich und der Regio-IT daran.

Da für die kleineren Gewässer Pegelvorhersagen, wie sie etwa vom Rhein bekannt sind, nicht möglich sind, soll das neue System ein Echtzeit-Lagebild plus Prognosen zu den Abflüssen bieten. Ein dichtes Netzwerk von Sensoren wird dazu installiert. Wetterprognosen, Pegelstände und Bodenfeuchtigkeitsdaten fließen in die Berechnungen ein, für die auch künstliche Intelligenz eingesetzt wird. Die Daten werden in den Hochwassermeldedienst des Landes eingespeist und die für den Katastrophenschutz zuständigen Stellen unterstützen.

Auf drei Jahre ist das 1,65 Millionen Euro teure Projekt, das zu 80 Prozent vom Land gefördert wird, ausgelegt. Wenn es funktioniert wie gewünscht, soll es auch an Urft und Olef sowie deren kleinen Nebengewässern aufgebaut werden. Damit muss laut Reichert nicht gewartet werden, bis das Pilotprojekt beendet ist. Aber: In den nächsten zwölf Monaten sei nicht damit zu rechnen. Und es sei eine Frage von Ressourcen, Kapazitäten und Finanzierung. „Das wird viel Geld kosten.“ Das, so Reichert, müsse von den Mitgliedern und/oder den Anrainerkommunen kommen, die aktuelle Förderung beziehe sich eben nur auf das Pilotprojekt.


Die Klärschlamm-Verbrennung

180.000 Tonnen Klärschlamm sollen ab 2029 in Hürth-Knapsack verbrannt werden – davon kommen 148.000 Tonnen aus den Kläranlagen des WVER und des Erftverbands. Bislang lassen die Verbände ihre Klärschlämme in Braunkohlenkraftwerken von RWE-Power verbrennen. Da jedoch die Braunkohle als Lieferant der Heizenergie wegen des Kohleausstiegs ab 2030 wegfällt und zudem eine Phosphorrückgewinnung aus dem Klärschlamm ab 2029 gefordert ist, sind die Verbände bereits 2021 damit gestartet, sich in diesem Bereich neu aufzustellen.

In einem EU-weiten Verfahren wurde ein Partner gesucht – und mit RWE gefunden. Nun wurde die Klärschlamm-Verwertung Rheinland GmbH gegründet. 50,1 Prozent der Anteile hält RWE Power. Sie baut die Anlage und ist für den technischen Betrieb zuständig. Zwei Drittel der verbleibenden 49,9 Prozent der Anteile hält der WVER, ein Drittel der Erftverband. Die Wasserverbände stellen die kaufmännische Geschäftsführung.

Die Anlage auf dem Knapsacker Hügel befindet sich bereits im Bau. Sie wird ohne fossile Energien arbeiten. Wie die drei Beteiligten mitteilen, wird die Überschussenergie zunächst in einer Turbine zur Stromerzeugung genutzt und anschließend in Form von „grünem Dampf“ und Fernwärme an benachbarte Industrieunternehmen und die Stadtwerke Hürth geliefert. WVER-Vorstand Dr. Joachim Reichert freut sich über den Bau in der Nachbarschaft: „Dann müssen wir den Klärschlamm nicht durch halb Europa karren.“  


Die Wasserwirtschaft

Zu warm und zu nass war das Jahr 2023 – selbst im Sommer wurde kein wesentlich zu trockener Monat registriert. Die Verantwortlichen in der Wasserwirtschaft freut das. „Wir hatten eine hervorragende Wasserernte“, sagt WVER-Vorstand Dr. Joachim Reichert. Mit 772,5 Millimetern lag die Niederschlagsmenge laut WVER etwa sieben Prozent über dem Referenzmittelwert. In den Talsperren macht sich das deutlich bemerkbar: Mit 275,5 Millionen Kubikmetern lagen die Zuflüsse in den Talsperren fünf Prozent über dem Mittelwert.

Das Wasserwirtschaftsjahr 2024, das im November begonnen hat, knüpft bislang an das Vorjahr an. Aufgrund des Dauerregens wurden erhebliche Zuflüsse gemessen, zudem ein geringer Einstau in den Hochwasserschutzraum und Ende November eine mit 40 Kubikmetern pro Sekunde sehr hohe Abgabe, etwa aus der Rurtalsperre. Im gesamten Talsperrensystem des WVER sind aktuell 232,3 Millionen Kubikmeter Wasser eingestaut – 14 Millionen mehr als der Mittelwert. Mit 15,2 beziehungsweise 35,6 Millionen Kubikmetern sind Olef- und Urfttalsperre aktuell zu knapp 80 Prozent gefüllt, die Rurtalsperre mit 181,5 Millionen Kubikmetern zu etwa 90 Prozent.

Bei allen drei Talsperren sind die Puffer sowie die Hochwasserschutzräume frei. Für die kommenden Wochen erwarten die Experten beim WVER keinen signifikanten Anstieg der Pegel. Und sie sehen sich gut gerüstet, so Reichert: „Wir werden auch ein sehr trockenes Jahr sehr gut abarbeiten können.“ 

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