SchichtwechselNEW-Mitarbeiterin übernimmt den Posten des Landrats im Kreis Euskirchen

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Das Bild zeigt Simone Limbach am Schreibtisch im Kreishaus. Luisa Vogelsberg verlässt gerade das Büro.

Simone Limbach war Landrätin für einen Tag. Die Mitarbeiterin der NEW tauschte mit Markus Ramers im Rahmen eines Schichtwechsels die Arbeitsstelle. Von Luisa Vogelsberg erhielt sie eine Unterschriftenmappe.

Landrat Markus Ramers schraubt in Zingsheim an Saunas, Simone Limbach übernimmt die Aufgaben im Kreishaus – ein besonderer Schichtwechsel.

Es dauerte nur Sekunden, da hatte Simone Limbach die staatsmännische Gestik verinnerlicht. Tür der Limousine auf, Schutz vor dem Regen unter dem Regenschirm suchen, den Fahrer Werner Krebs schon aufgespannt hat, umdrehen, in die Kamera winken – und lächeln. So geht das, wenn man plötzlich Landrätin des Kreises Euskirchen ist.

Die 29 Jahre alte Kallerin tauschte am Donnerstag für ein paar Stunden den Arbeitsplatz mit Landrat Markus Ramers. Limbach arbeitet nämlich eigentlich im Zingsheimer Standort der Nordeifelwerkstätten (NEW). Im Rahmen des bundesweiten Aktionstags „Schichtwechsel“ schnupperte sie nun für etwa vier Stunden Verwaltungsluft – inklusive Selfie im Aufzug, Social-Media-Beitrag, Smalltalk mit den Mitarbeitern der Kreisverwaltung und Stippvisite in der Rettungsleitstelle.

Das Bild zeigt Markus Neuburg und Simone Limbach in der Rettungsleitstelle.

Der Leiter der Rettungsleitstelle des Kreises Euskirchen, Markus Neuburg, zeigte beim „Schichtwechsel“ Simone Limbach die Leitstelle.

Der Besuch der Leitstelle war ein Herzenswunsch der Landrätin auf Zeit. „So etwas kenne ich aus dem Fernsehen“, sagte sie: „Vielleicht sitzen dort ja die gleichen Menschen, die ich aus meiner Lieblingsserie kenne.“ Diese Hoffnung bewahrheitete sich zwar nicht, aber auch so dürfte ihr der etwa zehnminütige Besuch unter der Führung von Leitstellenchef Markus Neuburg in Erinnerung bleiben.

Landrat Markus Ramers schraubt Lehne einer Saunabank zusammen

Und der „Landrat a.D.“ für ein paar Stunden? Der hatte mit für ihn herausfordernden Tätigkeiten zu kämpfen. Eingesetzt wurde Markus Ramers nämlich unter anderem in der Schreinerwerkstatt der NEW in Zingsheim. „Ich habe die Rücklehne einer Saunabank zusammengeschraubt“, berichtete er stolz. Zu Hause sei er hingegen nicht der große Handwerker, gab er unumwunden zu.

Doch hier sei alles vorbereitet gewesen, und mit der Hilfe einer Schablone konnte er auch die Bretter und Schrauben richtig platzieren, ohne dabei Ausschuss zu produzieren. „Das sind schon anspruchsvollere Tätigkeiten“, sagte Ramers respektvoll. Auch an der Laser-Graviermaschine der NEW betätigte er sich und produzierte hölzerne Einkaufswagenchips mit dem Logo der Zingsheimer Werkstätten.

NEW ist Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiger Partner

„Ich bin ein neugieriger Mensch“, begründete Ramers seine Teilnahme an dem Projekt. Er sei immer gerne in den Unternehmen im Kreis unterwegs, und hier habe ihn die persönliche Erfahrung interessiert. „Ich fand es gewinnbringend zu sehen, wie hier gearbeitet wird und am Ende mit einer Sauna sinnvolle Sachen herauskommen“, sagte er.

Das Bild zeigt Landrat Markus Ramers, wie er mit NEW-Mitarbeitern in der Schreinerwerkstatt steht. Vor ihnen liegt Holz.

Angeleitet von den Kollegen aus der Schreinerwerkstatt schraubte Landrat Markus Ramers beim Projekt Schichtwechsel in der Schreinerwerkstatt der NRW in Zingsheim die Rücklehne einer Sauna zusammen.

Die NEW sei gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein wichtiger Partner, da hier Menschen fit für den ersten Arbeitsmarkt gemacht werden. Auch sei es für die NEW möglich, Kooperationen mit Unternehmen einzugehen und Produkte für sie anzufertigen. „Insofern war das auf zwei Ebenen ein erfolgreicher Tag“, so Ramers.

Zum ersten Mal nahm die NEW am Schichtwechsel teil, der bundesweit seit 2019 von der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen aus Berlin durchgeführt wird. 23 Unternehmen kreisweit kooperieren mit den Werkstätten, sagte NEW-Geschäftsführer Georg Richerzhagen. Dadurch haben 46 Menschen mit Behinderung ihren Arbeitsplatz gewechselt und damit die Möglichkeit erhalten, ihre Fähigkeiten in den beteiligten Unternehmen einzubringen.

Landrat und Vertreterin nehmen Social-Media-Beitrag auf

Von seinem Gastspiel bei der NEW teilte der Landrat schon zur Mittagszeit einen Social-Media-Post des Kreises Euskirchen auf seinem privaten Account. Da konnte seine weibliche Vertretung natürlich nicht hinten anstehen. Kreis-Mitarbeiterin Tamara Empt hatte einen entsprechenden Beitrag von Limbach aufgenommen und für Instagram und Facebook aufbereitet.

Empt war während der Stunden als Landrätin für Limbach in der ungewohnten Umgebung der Kreisverwaltung eine enorme Hilfe. „Es tut gut, dass ich sie kenne und ihr vertraue“, sagte Limbach. Ihre persönliche Assistentin für den Donnerstagvormittag kennt sie aus gemeinsamen Zeiten bei der NEW. Dort machte die aktuelle Ehrenamtskoordinatorin des Kreises nämlich vor ihrem Studium ihre Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin.

Das Bild zeigt Werner Krebs, wie er vor dem Kreishaus Simone Limbach den Schirm hält. Sie winkt in die Kamera.

Der Fahrer des Landrats, Werner Krebs, chauffierte Simone Limbach von Zingsheim zum Kreishaus. Und hielt ihr auch den Regenschirm.

Während dieser Zeit war sie Betreuerin der Produktionsgruppe der NEW, zu der damals schon Simone Limbach gehörte. Wenn die nämlich keine Unterschriftenmappen von Kreis-Mitarbeiterin Luisa Vogelsberg auf den Schreibtisch gelegt bekommt und nicht den Blick über Euskirchen genießt, verpackt sie nach eigenen Angaben aktuell bei der NEW vor allem Adventskalender. „Das macht auch Spaß. Aber hier ist es schon cool“, sagte Limbach.

Am Ausblick aus ihrem kurzzeitigen Büro konnte sich die 29-Jährige, die in Kall in einer Wohngemeinschaft lebt, gar nicht sattsehen. Als dann plötzlich das Telefon klingelte, wurde die aber nervös. „Ich kann nicht gut mit fremden Menschen sprechen. Dann beginne ich schnell zu stottern“, sagte sie. Doch ähnlich schnell wie vor dem Kreishaus wenige Stunden zuvor, hatte sich die NEW-Mitarbeiterin in ihre neue Aufgabe gewöhnt und beantwortete die Frage von Vorzimmer-Urgestein Gabi Stein-Bremerich, ob sie denn einen Kaffee möchte, mit einem herzerfrischenden Ja. 

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