WiederaufbauMinisterin Scharrenbach wünscht sich mehr Tempo im Kreis Euskirchen

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Das Bild zeigt Ministerin Ina Scharrenbach mit einem Mikrofon in der Hand, wie sie zum Publikum spricht.

Im Kreis Euskirchen gab es den zweiten Wiederaufbaudialog. Zu Gast war auch Ina Scharrenbach, Heimat-Ministerin des Landes.

NRW-Heimat-Ministerin Ina Scharrenbach spricht im Kreishaus mit Bürgern und berichtet, warum manches beim Hochwasserschutz so lange dauert.

Das imaginäre Maskottchen des zweiten Wiederaufbaudialogs im Kreis Euskirchen: eine Schnecke. Sie stand symbolisch für das nur langsame Vorankommen beim Hochwasserschutz und die langen Bewilligungsprozesse. Nach der Gesprächsrunde mit Ina Scharrenbach, NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, können zumindest die Nettersheimer hoffen, dass nun der Turbo eingeschaltet wird.

Denn Scharrenbach machte im Kreishaus das, was sie in Gesprächen mit Bürgern und Bürgerinnen nach der Flutkatastrophe immer wieder getan hat: Sie bot schnelle, unbürokratische Hilfe an. Hievte damit die Nettersheimer Schnecke förmlich auf die Überholspur.

Nettersheimer fordern mehr Tempo bei Genehmigungsverfahren

Aus Sicht des Nettersheimers Albert Müllenborn, der den Dialog mit der Ministerin nutzte, um auf Probleme nach dem Hochwasser aufmerksam zu machen, ist das auch bitternötig. In den vergangenen Jahren sei der Genfbach immer wieder über seine Ufer getreten. Am 14. Juli 2021 sogar mehrere Meter.

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Man habe im Nachgang mit der Gemeinde und einem Ingenieurbüro acht bis zehn mögliche Standorte für ein Rückhaltebecken gefunden, aber es gehe einfach nicht weiter. Immer wieder stocke es bei den Genehmigungen. „Dann wird geprüft, ob eine Schnecke links- oder rechtsrum kriecht – und das ein Jahr oder auch zwei oder drei Jahre lang. Das ist frustrierend“, so der Nettersheimer.

Scharrenbach: Brauchen den überragenden Planungsbelang

Dabei sei es letztlich egal, ob die Schnecke wegen eines Walls ertrinke, der für das Rückhaltebecken aufgeschüttet werden müsste, oder weil es erst gar keinen Schutz gebe. Scharrenbach versprach noch im Kreishaus Unterstützung und tauschte mit Müllenborn Visitenkarten aus.

Auch Peter Kramp, Bürvenicher und Berater der Stadt Zülpich für Starkregen- und Hochwasserschutz, kritisierte in der Bürgersprechstunde das Tempo bei Schutzmaßnahmen. Er fragte die Ministerin, was sie konkret tue, um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Man müsse das Wasserhaushaltsgesetz und das Baugesetzbuch unter einen Hut bekommen, antwortete Scharrenbach: „Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir für den Hochwasserschutzmaßnahmen den überragenden Planungsbelang brauchen, damit wir wie bei den Erneuerbaren Energien geltendes Recht herunterfahren können.“

Das Bild zeigt die total zerstörte Orchheimer Straße in Bad Münstereifel.

Die Innenstadt von Bad Münstereifel wurde durch das Hochwasser stark beschädigt. Der Wiederaufbau ist mittlerweile weit fortgeschritten.

Den überragenden Planungsbelang habe sie aber nicht, da er in Berlin beschlossen werden müsse. Solange dies nicht geschehe, könne es passieren, dass verschiedene Behörden intervenieren – beispielsweise, weil die Schnecke in Nettersheim geschützt werden müsse. „Wir brauchen das Zusammenwirken der Behörden“, so Scharrenbach: „Wir haben ein systematisches Problem in den ganzen Abläufen.“

Das sehe man ja allein am Fall Nettersheim. Scharrenbach nutzte die Gelegenheit, um noch einmal Werbung dafür zu machen, Förderrichtlinien zu vereinfachen. „Wir hängen immer im Spagat zwischen den Rechnungshöfen. Je höher man bei den Töpfen kommt, desto komplizierter wird es. Europa ist da Highend“, so die Heimatministerin im Kreishaus.

„Auf den anderen Ebenen setzen wir uns für Vereinfachung ein. Wo wir aber wirklich Einfluss haben, bei den landeseigenen Richtlinien, tun wir es. So reichen uns mittlerweile nur noch Sachberichte statt originale Belege. Das hilft allen am Ende des Tages“, sagte sie. Schließlich sei jeder Fall individuell. „Der Schützenverein in Schleiden hat ein anderes Problem als der Kanuclub in Eschweiler. Deswegen müssen wir uns fragen, ob wir den Menschen gerecht werden, wenn wir uns an alle Buchstaben der Kunst halten“, so Scharrenbach.

Als die Ministerin die angestrebten Erleichterungen rund um die Originalbelege erwähnte, nickten vor allem die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen im Sitzungssaal. Schließlich würden auch sie aus der normalen Wiederaufbauschnecke eine Turboschnecke machen.


Bad Münstereifels Bürgermeisterin stellt Bedeutung der Feuerwehr heraus

Nach dem Wiederaufbaudialog mit NRW-Ministerin Ina Scharrenbach folgte noch eine Runde mit Bad Münstereifels Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian, Schleidens Verwaltungschef Ingo Pfennings, dem Technischen Beigeordneten der Stadt Euskirchen, Wolfgang Honecker, der Leiterin des Krisenstabs, Julia Baron, und Sonja Zingsheim von der Abteilung Gesundheit beim Kreis Euskirchen.

„Ich habe nie gedacht, dass ich eine Stadt besser kenne als meine Heimatstadt Bad Münstereifel“, sagte Pfennings. Durch die Flut habe er Schleiden aber noch besser kennengelernt. Zudem habe die Hochwasserkatastrophe die Stadtentwicklung verändert. Es gebe kein „Schneller, höher, weiter“ mehr. Alles sei nachhaltiger geworden.

„Heute bedenkt man Dinge, über die man sich früher keinen Kopf gemacht hat“, so Pfennings. Dazu gehöre, dass man mittlerweile in Schleiden intensiv darüber nachdenke, in den Hanglagen Baugebiete zu entwickeln und nicht mehr alles im Tal abzubilden. „Das sind aber dicke Bretter, die wir bohren müssen“, sagte der Bürgermeister.

Das Bild zeigt Julia Baron, Sabine Preiser-Marian und Ingo Pfennings an Stehtischen.

Julia Baron, Leiterin des Krisenstabs im Kreis Euskirchen, Bad Münstereifels Bürgermeistern Sabine Preiser-Marian und Schleidens Verwaltungschef Ingo Pfennings nahmen an einer Gesprächsrunde teil.

Sabine Preiser-Marian sagte, dass die Hochwasserkatastrophe den Zusammenhalt und die Identifikation mit der Heimatstadt positiv beeinflusst habe. „Ich hatte beispielsweise noch nie einen so engen Draht zur Feuerwehr. Und es steht außer Frage, dass man in die Feuerwehr investieren muss“, so Bad Münstereifels Bürgermeisterin: „Das ist auch ein wichtiger Aspekt aus der Flut für die Damen und Herren der Räte hier.“

Wolfgang Honecker berichtete in der Talkrunde von einer Straße in Schweinheim, die anders aufgebaut werde, als man das vor der Flut gemacht hätte. „Wir verzichten auf Parkräume und schaffen dafür Retentionsräume und legen Baumbeete tiefer, um dort Retentionsvolumen zu schaffen“, erklärte der Technische Beigeordnete.

Das sei ein Stück Resilienz, das durch den Wiederaufbau entstehe. Im Grunde sei das aber zu wenig. Was man sich vor Augen führen müsse, sei, „dass wir vielfach im Bestand arbeiten müssen“. Und dieser Bestand sei oftmals sehr beengt. „Wir müssen also mit Traditionen brechen“, so Honecker. (tom)

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