AschermittwochDas Aschenkreuz gab's im Schleidener Tal auch „to go“

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Ein Mann steht auf einem Parkplatz. Ein Pfarrer reibt ihm mit dem Daumen der rechten Hand ein Aschenkreuz auf die Stirn.

Aus Antweiler sind Hans-Jürgen Schmitz und seine Frau nach Gemünd gekommen, um sich auf dem Rewe-Parkplatz das Aschenkreuz abzuholen.

Vor dem Supermarkt, vor der Kirche: Das „To go“-Angebot am Aschermittwoch in Gemünd, Schleiden und Hellenthal wurde gut angenommen.

Fast wirkt es wie ein Dauergottesdienst auf dem Rewe-Parkplatz in Gemünd. Immer wieder sprechen Gemeindereferentin Dagmar Goffart und Pfarrvikar Michael Krosch die Worte von der Asche, die einst Glut war. Sie beten mit den Menschen, die zu ihnen kommen, um sich an diesem Aschermittwochmorgen ihr Aschenkreuz abzuholen.

„Aschenkreuz to go“ ist der griffige Name für das Konzept, dass Goffart entwickelt hat. An drei Orten in der GdG gibt's das Angebot für ein Aschenkreuz: vor Rewe-Märkten in Gemünd und Schleiden, vor St. Anna in Hellenthal. „Ich hatte von ähnlichen Projekten gehört und immer gedacht: Versuch' es doch einmal“, sagt sie. Der Sinn sei, hinauszugehen zu den Menschen – und nicht darauf zu warten, dass sie zu einem kommen. „Wir wollen Teil sein des Lebens und nicht im Elfenbeinturm sitzen“, ergänzt Krosch.

Initiatoren wollen ein neues Bild von Kirche im Schleidener Tal vermitteln

Neben dem Fahrradständer rechts vom Eingang haben sie sich aufgestellt, von oben trocken, doch um die Ecke zieht eine kalte Brise. Beide reiben sich die Hände, um die Kälte zu vertreiben, doch viel Zeit haben sie nicht. Immer wieder kommen Menschen, um das Angebot zu nutzen.

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Pfarrvikar Michael Krosch und Gemeindereferintin Dagmar Goffert stehen vor der Kirche St. Anna in Hellenthal.

An drei Orten haben Pfarrvikar Michael Krosch und Gemeindereferentin Dagmar Goffart die Aschenkreuz-Stationen aufgebaut.

Auf einem Stehtisch liegen eine Schale mit Asche, Palmzweige und einige Flyer.

Auf dem Stehtisch ist alles bereit, was es fürs Aschenkreuz braucht: Asche, Palmzweige und einige Flyer.

Es ist ein neues Bild von Kirche. „Ich finde das toll. Die Leute kommen nicht mehr in die Kirche, aber dafür kommt die Kirche zu den Leuten“, sagt Hans-Günter Schmitz. Jesus habe schließlich auch genau das getan. Schmitz ist mit seiner Frau extra aus Antweiler gekommen, um das Angebot zu nutzen. Auch Agnes Rotbach aus Gemünd hat sich gezielt auf den Weg zum Rewe gemacht. „Mir ist das Aschenkreuz wichtig“, sagt sie. Sie habe ein wenig Karneval gefeiert, dieses Ritual bringe sie zurück in die Wirklichkeit. Es gebe ihr die Möglichkeit, in sich einzukehren.

Gläubige nutzten die unverhoffte Gelegenheit beim Einkauf in Gemünd

Manche sind extra gekommen, andere nutzen die unverhoffte Gelegenheit beim Einkauf. Szenenwechsel nach rund einer Stunde: Von dem Supermarkt-Parkplatz im Norden des Schleidener Tals geht es in den Süden vor die Pfarrkirche in Hellenthal. Die zarten Sonnenstrahlen sind verschwunden, Nieselregen hat eingesetzt. In der Bushaltestelle auf der anderen Straßenseite stehen zwei Zeugen Jehovas mit ihrem Aufsteller. Als Goffart und Krosch ihren Tisch aufbauen, packen sie ein. Demonstrativ wechseln sie die Straßenseite und gehen direkt vor den beiden in Richtung Platißbrücke.

Geht es nicht auch um Missionierung, wenn die Katholiken auf der Straße stehen und auf Menschen warten? Krosch schüttelt den Kopf. Das Aschenkreuz sei ein persönliches Angebot. Und er sieht gleich einen weiteren Grund, sich aus den Kirchen hinauszubegeben: „Die Zeugen Jehovas sind in unseren Straßen, warum wir nicht?“

In Hellenthal kommen die Menschen gezielt zur Kirche

In Hellenthal kommen die meisten gezielt zur Pfarrkirche, obwohl es an diesem Tag in der Gemeinde Hellenthal zehn weitere Möglichkeiten gibt, das Aschenkreuz im Rahmen eines Gottesdienstes zu erhalten, in Schleiden vier. Für Paul Rauw kommt das To-go-Angebot gerade richtig: „Heute Nachmittag hätte ich keine Zeit, da ich Spätschicht habe.“ Jetzt passe es , das Ritual sei ihm ein Anliegen.

Gerd Geschwind wird das Aschenkreuz auf die Stirn aufgetragen.

Nach Jahrzehnten erhält Gerd Geschwind wieder ein Aschenkreuz.

„Neue Formen zu entwickeln, ist Umstellung und Freude zugleich“, sagt Krosch, der vor 32 Jahren sein Theologiestudium begonnen hat. Nun klopfe man die alten Traditionen ab: Was ist noch zeitgemäß? Wird damit die Kirche nicht zum Dienstleister? „Die Kirche ist doch schon lange im Dienstleistungszeitalter“, sagt er und zählt auf: Taufe, Kommunion, Firmung, Hochzeit, am Ende die Beerdigung.

„Diese Aktion ist eine gute Idee“, sagt ein Mann aus Nierfeld. Die Kirche geht raus, näher an die Leute. Er und seine Frau wären an diesem Tag nicht in eine Messe gegangen: „Wir müssen Enkelkinder betreuen.“

Die Supermarktparkplätze sind nun auch Orte von Kirche

Am Nachmittag wechseln Goffart und Krosch vor den Schleidener Rewe. Hier kommt auch Pfarrer und GdG-Leiter Thomas Schlütter, um seine Mitarbeiter zu unterstützen und selbst das Aschenkreuz zu empfangen. Ein seltsamer Ort für ein kirchliches Angebot sei das nicht, betont Krosch: „Im Bistum Aachen wird so viel von ,Orten von Kirche' gesprochen. Jetzt ist hier ein Ort von Kirche.“ Ob die Angebote der katholischen Kirche überarbeitet werden müssten? Alle drei nicken entschieden. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die Welt sich außerhalb der Kirche weiterdreht“, so der Pfarrer.

„Danke“, sagt ein Schleidener und zeigt auf seine Stirn, wo das frisch hingeriebene Aschenkreuz prangt. Ihm sei es wichtig gewesen, überhaupt sei ihm der Glaube wichtig. Im Vorbeilaufen bremst Gerd Geschwind vom benachbarten Blumengeschäft, stellt sich an den Tisch. „Das ist bestimmt seit 40 Jahren das erste Mal“, sagt er, nachdem er das Kreuz erhalten hat. Früher sei das normal gewesen, doch irgendwann bleibe im Berufsleben keine Zeit dafür: „Ich finde das eine tolle Idee.“

„Keine Ahnung, wie viele Aschenkreuze wir verteilt haben“, sagt Dagmar Goffart am Nachmittag. Gezählt habe sie nicht. Eigentlich seien kontinuierlich Menschen bei ihnen gewesen. „Vor allem aber waren sie überrascht. Und begeistert“, fügt Krosch hinzu. Es habe sich gelohnt: „Damit kein Fatalismus aufkommt, nach dem Motto ‚Die brauchen uns nicht‘.“ 

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