Ehemaliger TruppenübungsplatzDer Tag, als Vogelsang zivil wurde

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Schleiden-Vogelsang – Fast unbeachtet ist in diesen Tagen ein Jahrestag vorübergegangen, der die Region grundlegend verändert hat. Vor genau zehn Jahren, am 1. Januar 2006, wurde der Truppenübungsplatz Vogelsang nach 60 Jahren unter Verwaltung von englischem oder belgischem Militär wieder in die Verantwortung der deutschen Behörden zurückgegeben. Damit konnte ein Gebiet von mehr als 45 Quadratkilometern zum ersten Mal nach Kriegsende wieder zivilen Zwecken zugeführt werden.

Landrat Günter Rosenke, sein Stellvertreter Manfred Poth als Aufsichtsratsvorsitzender der neugegründeten Betreibergesellschaft Vogelsang ip und der damalige Bürgermeister von Schleiden, Ralf Hergarten, standen in der ersten Reihe, als der Schlagbaum an der Einfahrt zum Kasernengelände geöffnet wurde. Mehrere Hundert Besucher nutzten die Gelegenheit, um das Gelände an seinem ersten zivilen Tag zu besuchen.

Zum 70. Mal wurde im vergangenen Jahr der Jahrestag zum Endes des Zweiten Weltkrieges begangen. Die Menschen in der Nordeifel, die als erste die Ankunft der alliierten Truppen auf deutschem Boden erlebten, sollten danach noch sechs Jahrzehnte durch einen besonderen Umstand an den Krieg erinnert werden: durch den Truppenübungsplatz auf der Dreiborner Hochfläche und im Urfttal.

1950 kam das belgische Militär

1946 beschlossen die englischen Besatzungstruppen, die NS-Anlage Vogelsang als Standort und das umliegende Gelände als Truppenübungsplatz zu nutzen. Das Dorf Wollseifen wurde geräumt und diente fortan als Kulisse für den Häuserkampf übender Soldaten. 1950 übernahm das belgische Militär das Kommando in Vogelsang. Geschützdonner und das Rattern von Maschinengewehrsalven wurden in den kommenden Jahren für die Nachbarn des Truppenübungsplatzes eine alltägliche Erfahrung. Bei Manövern waren Flurschäden an der Tagesordnung, wenn Panzer den direkten Weg durch ein Getreidefeld wählten. Die Panzertransporte, die jahrelang von Höddelbusch über die Verbindungsstraße nach Herhahn liefen, waren genauso selbstverständlich wie der knöcheltiefe Matsch, der in Dreiborn von durchfahrenden Panzern und Lkw hinterlassen wurde.

Die Verdienste von Victor Neels

Die Stimmung zwischen der Bevölkerung und den belgischen Truppen entspannte sich erst deutlich, als Victor Neels als Kommandant nach Vogelsang kam. Noch sein Vorgänger hatte aus seinem Hass gegen die Deutschen keinen Hehl gemacht. Neels hatte eine andere Einstellung. Nachdem er im Widerstand gegen die Deutschen gekämpft hatte, hatte er 1946 seine spätere Frau, eine Deutsche, kennengelernt. Als belgischer Soldat war ihm die Heirat mit ihr verboten, doch Neels hielt ihr die Treue und lebte mit ihr viele Jahre heimlich zusammen. Diese Verbindung prägte ihn sehr.

„Wenn alle Soldaten so wären wie Victor Neels, gäbe es keine Kriege“, sagte Franz-Josef Antwerpes, der zu Neels Amtszeit Regierungspräsident in Köln war. Neels gelang es, die Schranken zwischen Deutschen und Belgiern aufzubrechen und ein gemeinsames Miteinander in die Wege zu leiten. „Es gibt wohl keinen in den 70er Jahren angelegten Sportplatz in der Region, bei dem nicht belgische Bulldozer gefahren sind“, stellte der Journalist Franz Albert Heinen während der Feier zum 90. Geburtstag von Neels fest.

Im März 2001 überraschten die belgischen Behörden mit der Nachricht, dass der Standort Vogelsang aufgegeben werden solle. Diese Aufgabe fiel Capitain Commandant Luc Bruylandt zu, der letzter Kommandant der Belgier in Vogelsang war und die Abwicklung des Standortes organisierte. Heute ist er immer noch in Vogelsang aktiv. Als Referent informiert er Gäste über die Historie des Ortes.

Das Forum wird 2016 eröffnet

„Es hat sich viel verändert“, sagt Bruylandt über Vogelsang. Der ehemalige Truppenübungsplatz ist im heutigen Nationalpark Eifel aufgegangen, der bereits zwei Jahre vor der offiziellen Übergabe Vogelsangs gegründet wurde. Die Kampfhäuser, die für das Training im Häuserkampf gebaut wurden, wurden bis auf wenige Reste zurückgebaut.

Die alten Gemäuer rund um den Adlerhof, die noch aus der NS-Zeit stammen, werden seit drei Jahren umgebaut. Hier entsteht eine Dokumentations- und Begegnungsstätte mit Leuchtturmcharakter für die Region. Trotz aller negativen Überraschungen, bedingt durch unerwartete Mehrkosten und Bauverzögerungen, soll das „Forum Vogelsang“ in diesem Jahr eröffnet werden und dann als Touristenattraktion Besucher in die Region locken.

Als einer der Vorreiter der Umgestaltung hat sich das Deutsche Rote Kreuz erwiesen, das mittlerweile mit dem früheren Transitgebäude und dem DRK-Museum Vogelsang „bespielt“. Die jahrelang stagnierende Privatisierung der Gebäude hat in den letzten Monaten wieder Fahrt aufgenommen,

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