Faszination HeimatDer Marienkäfer im Kreis Euskirchen bekommt Konkurrenz aus Asien

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Ein Marienkäfer klettert am Halm eines gewöhnlichen Natternkopfs entlang.

Die heimischen Marienkäfer erkennt man an den Punkten: Jeweils drei auf beiden Flügeln und einen in der Mitte.

6700 verschiedenen Käfer gibt es in Deutschland, viele davon kann man im Nationalpark Eifel beobachten – wenn die Sonne scheint.

Es ist schwül. Der Himmel über dem Nationalpark Eifel ist wolkenverhangen. Kein guter Tag, um Käfer zu beobachten. „Die mögen es sonnig“, sagt Maria A. Pfeifer.

Die Biologin und Leiterin des Naturschutzbildungshauses im Nationalpark Eifel schaut mit angestrengtem Blick in die Flora am Wegesrand. Wildbienen entdeckt sie viele, aber von Käfern keine Spur. Dann entdeckt sie doch etwas. Klein, sechs Beine, Fühler und rote Flecken. „Ah, das ist eine Wanze“, sagt die Expertin. Kein Käfer.

Asiatische Marienkäfer vertreiben heimische Arten in der Eifel

„Die Insekten werden im Wesentlichen nach Mundwerkzeugen unterschieden“, erklärt sie. Wanzen hätten einen langen Saugrüssel, Käfer beißende Mundwerkzeuge. Sie sucht weiter, schaut mit konzentriertem Blick in Blüten und auf Gräser.

„Es braucht eben auch Glück“, seufzt sie. Das scheint ihr heute nicht vergönnt. Aber dann lässt sich doch noch ein Käfer blicken. Ein kleiner weißer Marienkäfer. Auf der Blüte der wilden Möhre ist er kaum zu erkennen.

Ein kleiner weißer Marienkäfer sitzt auf der Blüte einer wilden Möhre.

Hat zwar mehr Punkte als sein großer roter Bruder, ist aber trotzdem heimisch: Ein Sechzehnpunkt-Marienkäfer.

Das sei eine heimische Art, berichtet Pfeifer. Wenig später entdeckt sie ein klassisch rotes und deutlich größeres Exemplar. Drei schwarze Punkte auf jedem Flügel und einen in der Mitte. Daran könne man die heimischen Marienkäfer von den asiatischen unterscheiden, so die Biologin weiter.

Bei Letzteren handele es sich um invasive Arten, die über Lebensmitteltransporte und andere Reisebewegungen nach Deutschland gekommen seien und sich nun hier ausbreiteten. Die Biologin beobachtet das mit Sorge. Denn die asiatischen Marienkäfer nähmen den heimischen den Lebensraum weg.

Expertin aus dem Nationalpark Eifel setzt sich gegen Insektensterben ein

Invasive Arten sind laut Pfeifer ein Faktor des großen Insektensterbens, über das seit der Veröffentlichung der Krefelder Studie 2017 häufiger berichtet wurde. Die Studie habe herausgefunden, dass der Bestand an Insekten um mehr als 70 Prozent zurückgegangen sei, und zwar in Schutzgebieten, berichtet Pfeifer.

Diese Studie sei der Beweis dafür, dass es überhaupt nichts nütze, in Nationalparks Natur Natur sein zu lassen, wenn überall drumherum alles „weggespritzt“ werde. „Wir müssen dahin kommen, dass wir den Naturschutz in die Landwirtschaft integrieren“, sagt sie. Blühstreifen und Vertragsnaturschutz seien ein guter Anfang. „Aber es reicht nicht.“

Eine Frau steht in einem gelb-gestreiften T-Shirt vor einem gemauerten Haus mit vielen Fenstern. Im Hintergrund ist ein bewaldeter Hügel zu erkennen.

Biologin Maria A. Pfeifer leitet das Naturschutzbildungshaus in Vogelsang.

So wirke sich beispielsweise der Rückgang von Weidetieren negativ auf die Insektenwelt aus. „Kuhfladen sind eigene kleine Ökosysteme“, so die Expertin. Doch je mehr Weidetiere verschwinden, desto weniger Kuhfladen gibt es auch in der freien Natur. Die Zahl der Kuhfladenkäfer gehe daher zurück.

Käfer sind artenreichste Insektengruppe

Pfeifer ist studierte Biologin. Als sie zur Uni gegangen sei, habe Artenkunde noch ganz klar zu den Studieninhalten gehört. Sie sei zwar keine ausgewiesene Käferspezialistin, aber sie beschäftige sich seit Jahren intensiv mit der Thematik und habe sich viel Wissen über Käfer angeeignet.

„Sie sind die artenreichste Insektengruppe“, weiß sie. Weltweit gebe es etwa 370.000 beschriebene Arten, 6700 davon seien auch in Deutschland zu finden. Und bei gutem Wetter könne man auch hier im Nationalpark viele sehen. Dafür müsse man gar nicht weit in den Wald oder ins Dickicht hinein. Es reiche, am Wegesrand die Augen aufzuhalten.

Gerade auf Blüten ließen sich Pollen und Nektar fressende Käfer gut entdecken. Tatsächlich variiere die Nahrung der verschiedenen Arten stark. „Es gibt jagende Käfer und reine Vegetarier“, fasst Pfeifer es grob zusammen.

Mistkäfer sind für Maria A. Pfeifer Schönheiten

Auch in der Fortbewegung unterscheiden sie sich. Manche können fliegen, andere laufen besonders schnell. Laufkäfer seien ziemlich rabiate Räuber, sagt Pfeifer. Sie könne verstehen, dass viele Menschen sich vor Käfern ein bisschen gruselten. Es gebe schon einige sehr scheußlich aussehende Exemplare. Aber genauso gebe es eben auch wahre Schönheiten. Wie beispielsweise den Mistkäfer.

Von diesem bekannten Insekt findet sie an diesem Tag nur tote Exemplare, aber ihr blau schimmernder Panzer ist nach wie vor gut zu sehen. Und dann entdeckt sie unter einem Stein noch ein weiteres schillerndes Exemplar. Der Käfer ist nur wenige Millimeter groß und hat einen grün-blau schimmernden Panzer.

Ein winziger, blau schimmernder Käfer sitzt auf steinigem Untergrund.

Ein Hallescher Blattkäfer hatte sich unter einem Stein versteckt.

Pfeifer lässt den kleinen Käfer auf ihren Finger krabbeln und legt ihn in ein kleines Gefäß. Mit dem bloßen Auge könne sie so nicht erkennen, um welche Art es sich handele, sagt sie. Sie will das Insekt genauer betrachten. Dafür geht sie in einen der Seminarräume des Naturschutzbildungshauses. Auf einem Tisch stehen mehrere kleine Döschen, in denen Insekten in einer Flüssigkeit liegen. Daneben steht ein Binokular.

Zwei tote Mistkäfer liegen unter einem Binokular. Auf dem Tisch daneben sind verschwommen durchsichtige Dösschen zu erkennen.

Unter dem Binokular untersucht Biologin Maria A. Pfeifer die Käfer, die sie findet.

Pfeifer holt einen Stapel Bestimmungsbücher aus dem Regal und schaut sich den kleinen schillernden Käfer genau an. Nach längeren Überlegungen und viel Blättern in den Büchern ist sie sich ziemlich sicher, dass es sich um einen Halleschen Blattkäfer handelt.

Käfer zu bestimmen, sei gar nicht so leicht und erfordere oft Geduld, sagt sie. Aber: „Wir haben nicht nur aussterbende Arten, sondern auch aussterbende Artenkenner.“ Im Naturschutzbildungshaus bietet Pfeifer deshalb seit diesem Jahr verschiedene Bestimmungskurse an.

Auch zu Käfern hat es schon einen gegeben. Der sei gut angenommen worden, berichtet die Biologin. Wem ein Kurs zu viel sei, könne es aber ruhig mit den klassischen Bestimmungsbüchern versuchen. Und inzwischen gebe es auch sehr gute Apps, die bei der Bestimmung von Flora und Fauna hilfreich seien, sagt Pfeifer.

Die idealste Zeit, Käfer zu beobachten, sei im Juni und Juli, berichtet sie. Dann, wenn die Sonne scheint.


Ein Büro mitten im Nationalpark Eifel

Vor acht Jahren hat Maria A. Pfeifer ein Haus in Vogelsang gekauft. Hausnummer 86. „Es hat mich gereizt, ein Büro im Nationalpark zu haben“, sagt sie. Die übrigen Räume vermietet sie, unter anderem hat dort die Nationalparkseelsorge ihre Bleibe gefunden.

Im Lenkungskreis, so etwas wie die Eigentümerversammlung der Hausbesitzer auf dem Gelände von Vogelsang, lernt sie dann die Naturschützer Anita Waffenschmidt und Rainer Liedtke kennen. Diese wollten das Kameradschaftshaus mit der Nummer 90 kaufen und daraus ein Naturschutzhaus machen. Ihr habe die Idee von Anfang an gefallen, sagt Pfeifer. Doch dann verstarben beide Ideengeber, und das Projekt schwebte in ernsthafter Gefahr zu scheitern. Das habe sie nicht gewollt, so Pfeifer. Nun leitet sie das Haus.

Noch sei alles im Anfang, berichtet die 65-Jährige. Aber die ersten Kurse seien gut angenommen worden, die erste Ausstellung kann in dem Haus betrachtet werden, und bald soll es auch ein Bio-Bistro geben. 

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