Prozess46-Jähriger muss nach Spuck-Attacke auf Euskirchener Polizisten ins Gefängnis

Lesezeit 3 Minuten
Ein Polizeiauto steht vor dem Amtsgericht in Euskirchen.

Vor dem Amtsgericht Euskirchen wurde der Fall des mit Hepatitis C infizierten Mannes verhandelt.

Eine Festnahme in Euskirchen endete für einen Polizisten in der Ungewissheit, möglicherweise mit Hepatitis C infiziert worden zu sein.

Michael P. (Namen geändert) war kaum zu bändigen, als die Polizei ihn am 5. März dieses Jahres festnehmen wollte. Die sechs Einsatzkräfte waren unter dem Stichwort „Häusliche Gewalt“ zu einer Wohnung an der Frauenberger Straße in Euskirchen geschickt worden. Selbst als sie den Verdächtigen mit Mühe gefesselt und zu Boden gebracht hatten, trat er um sich, beleidigte sie und brüllte wie am Spieß. Einem 27-jährigen Polizisten spuckte der drogensüchtige P. ins Gesicht, obwohl er wusste, dass er an Hepatitis C erkrankt ist.

Am Amtsgericht wurde er jetzt wegen eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einem Jahr Haft verurteilt. Richter Felix Marienfeld ging damit zwei Monate über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus.

Angeklagter aus Euskirchen ist einschlägig vorbestraft

Verteidigerin Susanne Haiminger hatte auf eine Bewährungsstrafe plädiert. Dafür sah Marienfeld jedoch keinen Grund, da Michael P. die Taten unter laufender Bewährung begangen hatte und einschlägig vorbestraft ist – wegen Widerstands ebenso wie wegen der Beleidigung von Polizeibeamten.

P. (46) hat keinen Beruf gelernt, seit 2021 ist er ohne Job. Er hat fünf Kinder von mehreren Müttern, zwei davon mit seiner Ehefrau, die ebenfalls suchtkrank ist. „Die Kinder leben wegen der Suchtproblematik in anderen Familien“, sagte die Bewährungshelferin des Angeklagten. Er erklärte, er sei 2001 heroinabhängig geworden, von 2004 bis 2011 „clean“ gewesen, seit zwei Jahren nehme er an einem Substitutionsprogramm teil.

Polizisten dokumentierten das Geschehen mit der Bodycam

P. ist auch Alkoholiker. Vor wenigen Wochen habe er eine Entgiftungsbehandlung absolviert, jetzt wollten seine Frau Sonja (37) und er sich einer stationären Entwöhnungstherapie unterziehen, sagte er. Vor der Entgiftung habe er pro Tag zweieinhalb Flaschen Kräuterlikör getrunken.

Einige Tage vor der Festnahme war P. nach einem Ehestreit übergangsweise zu einem Freund gezogen. Am 5. März bat Sonja P. ihn telefonisch zu einer Aussprache, in der gemeinsamen Wohnung war sie jedoch nicht anzutreffen. Ihr Mann, mit 2,4 Promille stark alkoholisiert, hatte gerade das TV-Gerät eingeschaltet, als die Polizei klingelte. Er weigerte sich zu öffnen.

Das Geschehen wurde von der Bodycam eines Polizisten dokumentiert. Richter Marienfeld spielte die aufwühlende Videoaufnahme ab. Der Film untermauerte die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, sodass P. um ein Geständnis nicht herumkam.

Euskirchener drohte mit einer Granate und einer Kalaschnikow

„Ich habe hier an der Tür eine Granate“, hatte er gerufen, als die Beamtinnen und Beamten Einlass begehrten. Und kurz darauf: „Ich hole eine Kalaschnikow.“ Die Einsatzkräfte entschlossen sich zum Zugriff, in dessen Verlauf P. den 27-jährigen Polizisten anspie.

Der Polizist lebt seither mit der Ungewissheit, ob er womöglich mit Hepatitis C angesteckt wurde. Die bisherigen Blutuntersuchungen verliefen zwar negativ, weitere stehen aber noch aus. „Das Anspucken war besonders ekelhaft“, sagte der Vorsitzende. Er verurteilte P. dazu, 2100 Euro Schmerzensgeld an den Beamten zu zahlen, der als Nebenkläger auftrat und fast beiläufig erzählte, dass er zum zweiten Mal im Dienst angespuckt worden sei. P. bat den Polizisten um Entschuldigung. „Lieber hätte ich eine Faust abbekommen“, sagte der Beamte, der die Entschuldigung „grundsätzlich“ annahm.

Der Einsatz beruhte auf einem Notruf von Sonja P., die angegeben hatte, ihr Mann habe sie angegriffen. Als Zeugin sagte sie: „Das habe ich mir ausgedacht.“ Ein Motiv für die falsche Behauptung könne sie nicht nennen, außer vielleicht: „Ich war der Meinung, er geht fremd.“ Wegen der grundlosen Beschuldigung könnte ein Ermittlungsverfahren auf sie zukommen.

Verteidigerin Haiminger sagte, die Taten ihres Mandanten seien nicht zu entschuldigen und der Polizeieinsatz nachvollziehbar. Doch P., von seiner Frau „in die Falle gelockt“, habe nicht wissen können, warum die Polizei bei ihm erschienen sei. Dies und sein alkoholisierter Zustand könnten sein Verhalten zumindest ansatzweise erklären. Die Anklagevertreterin dagegen nannte die Reaktion „irrsinnig“.

KStA abonnieren