AusstellungSchloss Morsbroich zeigt Richter und Polke in der Badewanne

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Schloss Morsbroich (1)

  • Gerhard Richter und Sigmar Polke haben zusammen an der Kunstakademie Düsseldorf studiert.
  • Das Museum Morsbroich in Leverkusen zeigt die ungewöhnlichen Früchte dieser Künstlerfreundschaft in der Ausstellung.

Leverkusen – „Schöne Bescherung“ - dieser Titel für eine Ausstellung ist dem Museum Morsbroich eingefallen, lange bevor die Schließungsdebatte über das kleine Haus in Leverkusen hereinbrach.

Nun wirkt das Motto fast wie ein Kalauer. Dabei beweist das Museum mit seiner neuen Ausstellung über die Künstler Gerhard Richter (84) und Sigmar Polke (1941-2010) wieder seine Gabe, große Kunst aus einer etwas anderen Perspektive zu betrachten.

Größer könnte der Gegensatz kaum sein: Wirtschaftsprüfer schlugen kürzlich die Schließung des Museums vor, damit das verschuldete Leverkusen, Sitz des Bayer-Konzerns, seine Sparvorgaben erfüllen könne. Dazu sollte auch gleich die Sammlung mit zeitgenössischer Kunst aufgelöst werden. Die Leverkusener Bürger würden das nicht als Verlust empfinden, hieß es. Ende Juni soll der Stadtrat entscheiden.

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Die Museen des Landes, Verbände, der Museumsverein (der viel Geld in das Haus investiert hat) und Richter selbst reagierten mit wütendem Protest. Eine öffentliche Sammlung sei „keine Geldanlage, die je nach Kassenlage geplündert werden kann“, schrieb Richter.

Nun hat das Museum mit leichter Hand in seiner obersten Etage eine Kabinett-Ausstellung der Kunststars Richter und Polke ausgebreitet. Damit zeigt Morsbroich wieder einmal, warum es regelmäßig von Kritikern zu den besten Museen des Landes gezählt wird - und reagiert mit einer eigenen Form des Protestes.

Richter und Polke waren in den 60er Jahren „dicke Freunde“, wie Kurator Fritz Emslander sagt. Richter und der neun Jahre jüngere Polke studierten zusammen an der Kunstakademie Düsseldorf, veranstalteten 1966 eine Gemeinschaftsausstellung, gestalteten dafür ein launiges Künstlerbuch und ließen sich zusammen in einer Badewanne ablichten - allerdings ohne Wasser, wie der heraushängende Stöpsel beweist. „Es war ihnen klar, dass nichts verkauft werden würde“, sagt Emslander über die erste Richter-Polke-Schau im Jahr 1966.

Ungewöhnliche Fundstücke hat das Museum zumeist von privaten Sammlern entliehen, so etwa ein von Polke komplett auf deutsch umgestaltetes italienisches „Diabolik“-Comic oder ein zerfleddertes Schreibheft mit Tintenklecksereien und Weihnachtsfunden der Kölner Presse („Christbaum rieselte - da gab's Krach“). Kaum bekannt dürfte der gemeinschaftliche Offsetdruck „Umwandlung“ (1968) sein, in dem Richter und Polke aus manipulierten Fotografien ein Bergmassiv in eine sphärische Kugeln verwandelten. Auch das Selfie war beiden schon 1967 ein Begriff. Vor dem Selbstauslöser posierten Richter und Polke nebeneinander im Bett eines Antwerpener Hotels. Auch wenn Polke und Richter beide ähnliche künstlerische Herangehensweisen hatten, so hielt ihre enge Freundschaft mit zunehmendem Erfolg nicht. Polke war wilder, Richter arbeitete systematisch, wie sich etwa in ihren „Tintenklecks“-Bildern erkennen lässt. „Das Oeuvre der beiden entwickelte sich auseinander“, sagt Morsbroich-Direktor Markus Heinzelmann. „Polke wollte ständig neue Dinge ausprobieren, Richter schaffte große Werkgruppen.“ Heinzelmann leitet das Museum seit zehn Jahren und hat dank seines Erfolges inzwischen einen unbefristeten Vertrag.

Ergänzt wird die Ausstellung durch Gemälde und Grafik von Richter aus der Museumssammlung - die nach Ansicht der Wirtschaftsprüfer ja verkauft werden sollte. Das Hauptwerk ist Richters berühmtes Schwarz-Weiß-Gemälde „Tiger“ (1965), das in großen Ausstellungen um die Welt tourte. Auch ein Gemälde der Vulkan-Landschaft Teneriffas wird gezeigt. Für diese scheinbar romantisierende Darstellung wurde Richter wiederholt mit Caspar David Friedrich verglichen.

Öffentlich darf sich die Leitung von Morsbroich ebenso wie die anderen bedrohten Kultureinrichtungen Leverkusens nicht zu den Sparvorschlägen äußern. In dem barocken Schloss haben die Mitarbeiter stattdessen an den Wänden bis ins Untergeschoss die seitenlangen Ausdrucke von Protestkommentaren aus dem Internet gegen die drohende Schließung des Hauses geheftet. Binnen einer Woche haben 4500 Menschen die Online-Petition unterstützt. (dpa)

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