InterviewOdenthals Bürgermeister muss den Haushalt sanieren und Personal einsparen

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Odenthal Bürgermeister Robert Lennerts (parteilos)

Odenthal Bürgermeister Robert Lennerts sieht seine kleine Gemeinde vor großen Aufgaben.

Robert Lennerts (parteilos) sieht große Probleme für kleine Kommunen. Die Diskussion über strukturelle Reformen dürfe daher kein Tabu sein.

Vor genau einem Jahr haben Sie den Satz: „Bürgermeister in Odenthal zu sein, das ist …“, vervollständigt mit: „... nach wie vor ein Traumjob, der einen aber auch mitunter schlecht schlafen lässt“. Ist der Schlaf nun besser?

Robert Lennerts Man hat ja immer die Hoffnung, dass die Krisen weniger werden. Stattdessen ist immer noch Krieg und wir haben mit den Auswirkungen zu kämpfen, mühen uns um geeignete Flüchtlingsunterkünfte. Zum Jahresende kam dann noch der Angriff auf das Rechenzentrum dazu, der uns bis jetzt stark einschränkt. Aber inzwischen ist man ja ein wenig erprobt in der Bewältigung von Krisen und auf viele kann man keinen direkten Einfluss nehmen. Insofern kann ich schon besser schlafen.

Welches Problem drückt am meisten?

Zu der angespannten Flüchtlingssituation kommt 2024 noch eine in Odenthal nie dagewesene schlechte Finanzsituation.

Wie kommt es, dass eine Kommune, die bei den Jahreseinkommen ihrer Bürger (vor Steuer) Platz 2 in NRW belegt, trotzdem blank ist?

Wir partizipieren als Gemeinde bei der Einkommenssteuer nur zum Teil an der Einkommenshöhe der Bürger. Allerdings sind wir eine Kommune, die ihre größten Einnahmen aus der Einkommenssteuer erzielt und nur etwa ein Viertel aus der Gewerbesteuer. Bei vielen Kommunen in NRW ist es genau andersherum. Das Problem, das wir haben, ist, dass die Prognose der Einkommenssteuer nach unten geht. Grundsätzlich haben fast alle Kommunen in NRW das Problem, strukturell unterfinanziert zu sein. Es sei denn, sie haben sehr starke Gewerbesteuerzahler.

Sie lagen in der Vergangenheit häufig nicht auf Mehrheitslinie im Rat, wenn es um die Ausweisung von Gewerbeflächen ging. Die Politik wollte das nicht, bekommt Odenthal jetzt die Quittung dafür?

Da hat man schon in den vergangenen Jahren vieles verschlafen. Auch wenn wir 2023 entschieden hätten, das Gelände der Baumschule (in Osenau) zu entwickeln, würde sich das ja nicht sofort auf den Haushalt auswirken. Wir haben Vorschläge für Gewerbeflächen und moderaten Zuzug gemacht, aber keine politische Mehrheit gefunden. Das ist zu akzeptieren, hat aber Auswirkungen auf die Einnahmen.

Die Kasse ist leer. An welchen Stellschrauben kann Odenthal drehen?

Wir müssen die großen Kostenblöcke anschauen: Da ist zuerst mal das Personal. Wir werden auf dringend nötige Stellen verzichten müssen. Das hat allerdings zur Folge, dass wir nicht alles so umsetzen können wie geplant, Dinge werden sich verzögern, können ganz zum Erliegen kommen, wenn jemand aus dem Team länger ausfällt. Wir werden auch mit politischen Anträgen anders umgehen müssen, uns verabschieden müssen von Projekten, die man sich vielleicht wünscht, mit denen man Akzente setzen könnte, die aber nicht zu den Pflichtaufgaben gehören. Wir müssen die Ausgaben prüfen; von welchen Dingen wir uns trennen müssen. Bei vielen haben wir keinen Spielraum: bei Jugendamts-, der Kreis- und Landschaftsverbandsumlage oder bei Tariferhöhungen für Beschäftigte im öffentlichen Dienst etwa. Selbst bei allergrößten Anstrengungen werden wir daher nicht um Steuererhöhungen herumkommen.

Was wird ein Haushaltssicherungskonzept für Odenthal bedeuten?

Wir müssen binnen zehn Jahren einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen. In diesem Zeitraum werden wir nicht nur jetzt, sondern später noch einmal eine Erhöhung der Grundsteuer B durchführen müssen. Uns wäre auch sehr geholfen, wenn das Land Entwicklungen nicht weiter über Förderprogramme steuern würde, sondern direkt über Schecks oder eine allgemeine verbesserte finanzielle Grundausstattung. Schon die Vorgaben der Bewerbungsverfahren können wir oft in der Kürze der Zeit nicht leisten. Und was nützt eine 80-Prozent-Förderung, wenn die Gesamtkosten zwei Millionen betragen? Wo soll man das herholen?

Im Kreis haben die Leute aufgehorcht, als Sie vor einem Jahr öffentlich die Frage gestellt haben, ob Odenthal vielleicht zu klein ist, um als Kommune seine Eigenständigkeit zu behalten. Wie sehen Sie das heute?

Das ist absolut noch meine Meinung. Allerdings ist es in der Politik auch sowas wie ein Tabuthema. All das, was auf uns zukommt, bestärkt mich immer mehr, dass wir das dringend anpacken müssen, ohne das Wie vorwegzunehmen. Wir verzeichnen einen enormen Zuwachs an Aufgaben. Ich denke da beispielsweise an Kürten und den Bau der Gesamtschule, auch an die Flüchtlingsunterbringung oder Gewerbeansiedlungen. Vieles endet direkt an der Ortsgrenze. Da muss man aber weiter denken und die interkommunale Zusammenarbeit stärken. Auch wir haben Projekte in Millionenhöhe vor der Brust: die Grundschule Odenthal, das Schulzentrum, den Bauhof, die Erweiterung für die Ganztagsbetreuung, die Toilettenanlage Altenberg, müssen dabei sämtliche Auflagen erfüllen - und alles mit unseren paar Leuten. Manches ist in katastrophalem Zustand, wurde über Jahre totgespart – auch die Personaleinsparungen werden uns in ein paar Jahren auf die Füße fallen.

Die Grundschule Odenthal ist derzeit ein Containerbau.

Weil die Flut 2021 die Grundschule Odenthal zerstörte, findet der Unterricht nun in Containern statt. Der Neubau wird vom Land finanziert.

Was ist 2023 dennoch geglückt?

Wir haben Straßen saniert, den Dorfplatz in Blecher fertiggestellt, die Mobilität verbessert, Flüchtlinge untergebracht, die Planungen u. a. für den Schulneubau im Zentrum und des Bauhofes gehen voran; die Sanierung des Dhünntalstadions steht kurz bevor.

Eines ist 2023 in die Hose gegangen: Die angekündigte öffentliche Toilettenanlage für Altenberg steht immer noch nicht. Jetzt ist kein Geld mehr da. Kommt nun doch das Dixi-Klo?

Ich bin überzeugt, dass die Toilettenanlage kommt und ich sie in 2024 einweihen kann. Sie ist ja fest vereinbart und nur noch nicht umgesetzt worden, weil es an Personal mangelt und andere Dinge wichtiger waren. Ich bin überzeugt, dass sie notwendig ist.

Sie haben 2023 den zivilen Ungehorsam angekündigt und die erneute Belegung von Turnhallen mit Flüchtlingen ausgeschlossen haben. Werden Sie angesichts anhaltender Zuweisungen daran festhalten können?

Ja. Die neue Unterkunft Im Geroden wird uns bis ins Frühjahr helfen und wir suchen weiter nach Flächen. Der Ankauf von Immobilien wäre mir lieber als weitere Container anzuschaffen, aber wir prüfen das.

2025 sind Kommunal- und Bürgermeisterwahlen. Werden Sie zum dritten Mal antreten?

Ich gehe davon aus, dass alle Fraktionen Kandidaten/Kandidatinnen ins Rennen bringen werden. Und im Wahlkampf muss man sich positionieren. Ich bin gespannt, wer kandidiert. Für den Fall, dass ich kandidieren sollte, freue ich mich auf den Wahlkampf, denn eine Wahl lebt von der Alternative.

Warum sind Sie eher skeptisch, noch einmal in den Ring zu steigen?

Ich könnte mir auch vorstellen, noch einmal etwas anderes zu machen. Zehn Jahre sind eine lange Zeit und ich finde es schwierig, wenn die eigenen Vorstellungen bei wichtigen Themen nicht übereinstimmen mit der politischen Mehrheit. Das ist für mich und für die Verwaltung schwierig. Und ich klebe nicht am Stuhl. Ich bin aber selbstbewusst genug, um zu sagen, dass ich gute Chancen hätte, sollte ich wieder kandidieren. Weil ich glaube, dass die Verwaltung einen sehr guten Job macht und mir das aus der Bürgerschaft auch gespiegelt wird. In puncto Dienstleistungsgedanken und Bürgernähe steht Odenthal ganz weit oben. 

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