Uralte TraditionMucherin bietet seit 40 Jahren Fastenkurse an – So kann es jeder schaffen

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Ein Mann und eine Frau in einem Zimmer mit einem alten Schreibtisch und vielen Büchern. Sie sitzt auf der Lehne eines ledernen Sofas.

Das Ehepaar Maschwitz aus Much-Hetzenholz.

Gerda und Rüdiger Maschwitz leiten das Haus „Wege der Stille“ in Much-Hetzenholz. Seit 40 Jahren bietet Gerda Maschwitz dort Heilfasten an. 

Der Nubbel ist verbrannt, das Portemonnaie ausgewaschen. Gläubige Christen haben in der Kirche das Aschekreuz empfangen: Nach Karneval hat am Aschermittwoch die Fastenzeit begonnen, die an Ostern endet.

Wurzeln liegen lange vor der christlichen Tradition

„Es ist schon immer erst einmal eine religiöse Handlung gewesen“, weiß Gerda Maschwitz aus Hetzenholz, die seit über 40 Jahren Fastenkurse anbietet und begleitet. Die Erfahrung „ich muss dankbar sein“ stehe dahinter ebenso wie die Überzeugung: „Es muss etwas Größeres geben“.

Ehemann Rüdiger, evangelischer Pfarrer im Ruhestand, weist darauf hin, dass Fastenzeiten – vielleicht abgesehen vom islamischen Ramadan – auch in anderen Kulturen verstärkt in Zeiten des Mangels liegen.

Die Wurzeln des Fastens sind, so das Paar, „mit Sicherheit“ in vorchristlicher Zeit zu suchen. So hätten die Griechen das Fasten schon früh als eine Form des Heilens anerkannt, was die moderne Schulmedizin erst 2017 und 2019 in wichtigen Publikationen akzeptiert habe. Weniger bekannt ist das voradventliche Fasten. „Ich habe mal im November einen Fastenkurs angeboten“, erinnert sich Gerda Maschwitz. „Das war der einzige, der ausfiel.“

Nur wenige Männer kommen in die Mucher Kurse

Bei den meisten Teilnehmerinnen ihrer Kurse – nach Buchinger nehmen die Fastenden für eine begrenzte Zeit keine feste Nahrung, sondern nur Tee und Säfte zu sich – stehe nicht das Abnehmen im Mittelpunkt, sagt Gerda Maschwitz. Wer das wolle, sei in einer Fastenklinik besser aufgehoben, müsse nämlich über das eigentliche Fasten hinaus begleitet werden.

Statt dessen suchten die Menschen in Hetzenholz eher „eine bewusste Auszeit“ mit spiritueller Begleitung. Das Fasten mache auch die eigene Person, die eigenen Bedürfnisse bewusster, erklärt ihr Mann.

Vor allem Frauen finden den Weg in die begleiteten Kurse, der Anteil der Männer liege bei „ein bis drei zu zehn“. Frauen hätten „mehr ein Bewusstsein dafür, dass der Körper ihre Heimat ist“, sagt Gerda Maschwitz. Männer machten das mehr für sich, so die 70-Jährige. Sie fasteten häufig auch länger – „sportliches Fasten“ nennt sie das.

Fastenbegleiter aus Much sind keine strengen Asketen

„Wir lachen viel“, tritt Gerda Maschwitz dem Bild der Asketen entgegen, für die allein das Fasten schaffbar sei. „Es geht nicht um Verzicht, sondern um die Befreiung von Abhängigkeiten“, betont auch Rüdiger Maschwitz. Und das sei „ausgesprochen sinnvoll und gesundheitsfördernd“. Eine ganze Reihe von chronischen Erkrankungen könne man durch Fasten deutlich bessern: Rheuma oder Arthrose nennt das Paar, Hautleiden oder Bluthochdruck. So oder so könne die Fastenwoche aber immer nur der Einstieg sein in eine Änderung der Lebensumstände.

Oft höre sie, „ohne die Gruppe hätte ich das nicht geschafft“, berichtet die 70-Jährige Gerda Maschwitz. Und wer bricht das Fasten dann ab? „Die wichtigste Voraussetzung ist, dass jemand wirklich will.“ Sonst stelle sich der Körper nicht um, verstärkten sich die Kopfschmerzen, gehe der Hunger nicht weg. „Dann stimmt vielleicht mit der Entscheidung etwas nicht“.

Eine wichtige Erfahrung sehen die Maschwitzens aber auch im Abbruch einer Fastenwoche. „Ich kann zu mir stehen“, heiße das, „eine andere Entscheidung treffen, als zum Beispiel die beste Freundin.“ Und dann gebe es auch noch die falschen Zeitpunkte, sagt Rüdiger Maschwitz: „Wenn ich mir die Zeit nicht gönnen kann“, während des Fastens „liebevoll mit mir umzugehen.“

Es gab eine Welle, als wir Mitte der 80er Jahre angefangen haben
Rüdiger Maschwitz

Ganz neu ist aktuelle Begeisterung für das Fasten nicht. „Es gab eine Welle, als wir Mitte der 80er Jahre angefangen haben“, erinnert sich Rüdiger Maschwitz. Damals waren Kurse teilweise mit 20 Personen belegt. „Das war noch zusammen mit der ganz starken Welle der Meditation und dem Suchen nach Bewusstseinserweiterung“, ergänzt seine Frau.

In den 90er und frühen 2000er Jahre trat das Abnehmen in den Vordergrund, seit wenigen Jahren nun spielen gesundheitliche Motive eine größere Rolle. Zugleich nahm das Interesse an anderen Formen des Fastens zu: Der Verzicht auf Alkohol, auf Süßigkeiten oder Fleisch. Inzwischen hat das Intervallfasten eine breite Öffentlichkeit gefunden. „Durchaus sinnvoll“, so die Fachfrau. „Und leichter zu schaffen.“

Social-Media-Fasten bestätigt Entscheidungshoheit

Noch neuer ist indes der Trend, während der Fastenzeit zum Beispiel auf Social Media-Nutzung, Internet oder das Fernsehen zu verzichten. Gerda Maschwitz sieht einen Grund für diese Entwicklung in dem gesellschaftlichen Empfinden „mir ist alles zuviel“.

Mit dem Fasten „kann ich etwas herausnehmen, da will ich Entscheidungshoheit behalten.“ Das sei eine Erfahrung von Selbstwirksamkeit, „man ist nicht in allem dem Gängigen ausgeliefert.“ Und wer sich dafür in einer Gruppe zusammenfinde, der bekomme noch ein Stück Gemeinschaftsgefühl dazu.

„Ich kann Nein sagen“ – das könne man mit dem Fasten gut einüben, sind Gerda und Rüdiger Maschwitz überzeugt. „Das kann anstrengend sein“. Aber: „Feiern und Fasten – beides macht lebendig“.

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