50 Jahre DiakonieSuchthilfe ist an der Seite der Menschen in Rhein-Sieg, die keine Lobby haben

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Ein Mann trägt eine violette Umhängetasche mit der Aufschrift Diakonie. im Hintergrund sind Menschen in der Troisdorfer Fußgängerzone zu sehen.

Die Fachstelle Suchthilfe der Diakonie An Sieg und Rhein besteht seit 50 Jahren.

Seit 50 Jahren arbeiten Beschäftigte der Diakonie An Sieg und Rhein in der Suchtberatung. Jetzt blickten Beschäftigte und Mitstreiter zurück.

Ein Diplompsychologe, eine Verwaltungskraft mit einem 20-Stunden-Deputat: Bescheiden ging 1973 die Suchthilfe der Diakonie An Sieg und Rhein an den Start. In diesen Tagen blicken Mitarbeitende und Mitstreiter zurück.

„Ein kleiner wichtiger Anfang“, so heißt es in einem Abriss zur Geschichte der Suchthilfe im zurückliegenden halben Jahrhundert. Zugleich ist das der Auftakt für eine kontinuierliche Entwicklung zu einem Netzwerk der Hilfen für suchtkranke Menschen.

Niedrigschwellige Hilfe steht von Anfang an im Mittelpunkt

In der Siegburger Ringstraße 22 arbeitet bald schon mehr Personal, in Troisdorf entsteht 1978 vorübergehend eine Nebenstelle. Auch in Königswinter gibt es ab 1980 eine Anlaufstelle. Das Bundesmodellprojekt „Mobile Drogenprävention“ bringt 1990 neue inhaltliche Impulse, ein Jahr später wird an der Troisdorfer Wilhelmstraße der Kontaktladen Café Koko eröffnet.

Niedrigschwellige Hilfe steht von Anfang an im Mittelpunkt, die Probleme sind groß: Neue illegale Drogen bringen, so die Chronik, „Not und Entsetzen“ auch in die Region an Sieg und Rhein. Eine regelrechte Opiatwelle bricht herein; viele Drogentote sind die furchtbare Folge.

Offizielle Stellen aber bezichtigt Wolfgang Esser, der erste Leiter der Beratungsstelle, in seinem Jahresbericht 1975 einer „gezielten Beschwichtigungskampagne“. Drei Neuzugänge registriert er pro Woche; die Szene wirke nur beruhigt, weil jugendliche Abhängige in Haft seien.

Café Koko soll Kommunikation statt Ausgrenzung bieten

„Schadensminimierung“, nennt Jürgen Graff, der seit 2018 die Suchthilfe der Diakonie leitet, als einen Grundgedanken. Es gelte, die mit dem Substanzkonsum verbundenen Risiken zu mindern, „Konsumentinnen und Konsumenten zu stabilisieren.“ 1999 schreibt Peter Wahlbrink,  einer seiner Vorgänger: „Die Drogenhilfe stellt sich an die Seite einer Randgruppe unserer Gesellschaft, die keine Lobby hat.“ Mit ihren Hilfen begegne sie der „individuellen Verelendung“.

Im Zentrum dieses Ansatzes steht der Kontaktladen Café Koko. Kontakt und Kommunikation statt Ausgrenzung finden hier statt; Betreuung statt einer reinen Ausstiegsorientierung, Überlebenshilfen statt Alleinsein mit der Abhängigkeit von Kokain und Heroin. „Es ging und geht darum, die Menschen in ihrer Lebenssituation anzunehmen“, formuliert das Jürgen Graff.

Dabei ist die Suchthilfe immer auch für Menschen da, die nicht von illegalen Stoffen abhängig sind, die alkoholkrank oder spielsüchtig sind. Früh machen sich die Beschäftigten für Methadonprogramme stark, seit den späten 90er Jahren übernehmen sie die psychosoziale Betreuung von Substituierten.

Auf Konflikte in der Innenstadt reagiert die Diakonie mit Projekt Streetwork Kuttgasse

Nach dem Umzug des Café Koko in viel größere Räume an der Poststraße 2001 wird dort 2004 ein Drogenkonsumraum eröffnet, hier können die Besucherinnen und Besucher aber auch Wäsche waschen, einen Kaffee trinken und Beratung finden. Was vor der Eröffnung in der Nachbarschaft auf Vorbehalte stieß, ist nun „etabliert und akzeptiert.“

Regelmäßig kommt von Anfang an der„ Runde Tisch Kontaktladen“ unter anderem mit Vertretern der Anwohnerschaft und der Ordnungsbehörden zusammen. Auf Konflikte in der Innenstadt reagiert die Diakonie mit dem Projekt Streetwork Kuttgasse: Dort können sich Abhängige treffen, finden Bänke, eine Toilette und einen Unterstand.

Das Augenmerk der Beratung gilt seit der zweiten Hälfte der Nuller Jahre besonders auch den Kindern aus suchtbelasteten Familien. Es werden Kinder-, Jugend- und Elterngruppen gegründet; es gibt Hilfen zur Erziehung und Freizeitaktivitäten für die Kinder.

Diakonie will Hilfe für Kinder aus suchtbelasteten Familien ausbauen

Als Herzenswunsch bezeichnet es Jürgen Graff, diese Hilfen weiter auszubauen. Wissenschaftlich sei belegt, dass sich Sucht in Familien wiederholt, dass Kinder suchtkranker Eltern ein höheres Risiko für eine eigene Suchterkrankung haben als ihre Altersgenossen.

Mit passenden Angeboten aber könne dieser „teuflische Kreislauf“ durchbrochen werden, ist er sicher. Geld, das man dafür heute ausgebe, spare der Gesellschaft in der Zukunft sehr viel mehr Geld. Denn „die Kosten einer Suchterkrankung sind um ein Vielfaches höher.“

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