Ganze Regale leerSiegburger Einzelhändler zu Ladendiebstählen: „Wir können uns kaum schützen“

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Ein Ladenlokal in der Siegburger Innenstadt

Rammschutz gegen Räuber: Die beiden Blumenkästen vor der Goldenen Ecke sind einbetoniert.

Sie kommen mit Klau-Taschen, räumen ganze Regale leer: „Vor Ladendieben können wir uns kaum schützen“, sagen Siegburger Händler.

Gezielt suchte ein Mann aus Meckenheim immer wieder einen Siegburger Drogeriemarkt auf, räumte blitzschnell teure Düfte und Cremes aus den Regalen und rannte raus. Ware im Wert von rund 9100 Euro erbeutete er an acht Tagen. Ein Extremfall, sicherlich, doch das Problem Ladendiebstahl treibt die Einzelhändler in der City um. Vier Prozent mehr Fälle registrierte die Polizei im gesamten Kreis, 1210 waren es 2023, 1164 im Jahr 2022. Und nicht jeder Diebstahl kommt zur Anzeige, das ist ein  Ergebnis unserer Umfrage.  

„Wir können uns kaum schützen“, sagt Juliana Wiehe, die mit ihrer Mutter Jennifer Wiehe die Boutique „di Sempre“ auf der Holzgasse führt. Ein Detektiv, wie ihn die großen Ketten einsetzten, sei für die Kleinen nicht bezahlbar. Auch die Sicherung koste eine Menge, erklärt ein Ladeninhaber, der nicht mit Namen in der Zeitung erscheinen will. „Ich bin sonst noch mehr im Fokus der Banden.“ Der Alarm schrecke wohl vor allem Gelegenheitsdiebe ab, die organisierten Kriminellen seien, wenn es piept, längst in der Menge verschwunden.

Ich bin ja allein hier und kann nicht hinterherlaufen.
Ladenbesitzer aus der Siegburger Innenstadt

Letztens habe er ein Pärchen mit einem präparierten Koffer erwischt, „die hatten schon fünf Teile eingesteckt“. Zu fassen bekam er sie nicht, zumindest die Beute ließen sie liegen. „Ich bin ja hier allein und kann nicht hinterherlaufen.“ Vor allem in der Vorweihnachtszeit, wenn durch den Mittelalterlichen Markt und die Weihnachtseinkäufer besonders viel Betrieb herrsche, hätten die Ladendiebe Hochkonjunktur.

Bevorzugte Diebesbeute: Schmuck

Ganz schnell im Vorbeigehen greifen die Täter zu, das hat Juliana Wiehe schon aus dem Schaufenster heraus beobachtet. Gelegenheit mache Diebe, einerseits. Andererseits blieben an den Kleiderstangen vor der Tür viele Kunden stehen, die Angebote senkten die Hemmschwelle, das Lokal zu betreten. Bevorzugte Diebesbeute seien aber weder Blusen noch Hosen, sondern der Schmuck im Laden.

Wir können uns gegen die Verluste leider nicht versichern, das wäre viel zu teuer.
Verkäuferin in einer Siegburger Damen-Boutique

Einmal habe sie eine Frau festhalten können und die Polizei alarmiert. „Die Beamten sagten mir, dass eine Anzeige zwecklos sei, wenn der Wert unter 89 Euro liege.“ Diese werde wegen Geringfügigkeit ohnehin eingestellt. Das finde sie empörend. Wo bleibe da der Abschreckungseffekt? Da sei es kein Wunder, wenn die Zahl der Diebstähle steige. 

Auch bei Edel und Kühn hängt Damenmode aus dem gehobenen Preissegment im Eingang, als unverzichtbarer Magnet; deshalb stehe auch die Tür im Winter auf, sagt Karin Drache, die seit zwölf Jahren hier berät und bedient. Sie beobachtet zwar keinen Aufwärtstrend bei den Ladendiebstählen, das Problem sei für die inhabergeführten Geschäfte indes gewaltig. „Wir können uns gegen die Verluste leider nicht versichern, das wäre viel zu teuer.“  

Siegburgs Goldene Ecke ist nach spektakulärem Einbruch durch Blumenkübel geschützt

Hinter Schloss und Riegel liegt die Ware im Schmuckkontor in Vitrinen,  sicher ist sicher. Langfinger haben hier keine Chance, so eine Angestellte. Dennoch wurde der Laden an der Goldenen Ecke schon mehrfach zum Ziel, immer nach dem gleichen Muster: Die Täter rammten mit dem Auto die Schaufenster, rafften wertvolle Uhren und Geschmeide aus den Glassplittern. Eine erneute Attacke sollen nun zwei Blumenkübel vor dem Eingang verhindern: „Die sind einbetoniert.“     

Trotz Detektiven und Sicherungssystemen verschwinde laut Information der Polizei auch bei den größeren Ketten Ware im großen Stil, das kam in dem Gerichtsprozess gegen den Meckenheimer zur Sprache. Zivilkräfte hatten sich vor dem Drogeriemarkt tagelang auf die Lauer gelegt, um den Serientäter zu fassen, der durch die Videoüberwachung identifiziert werden konnte. Im Zuge der Fahndung gingen den Polizisten auch Diebe aus anderen Geschäften ins Netz, die Verkäuferinnen in den Textilläden hätten geschildert: „Die räumen uns hier die Regale leer.“

Auf Anfrage unserer Redaktion wollten die großen Filialisten indes keine Auskunft geben zur Entwicklung und zum Schutz vor Kriminellen. C & A meldete sich gar nicht zurück, H & M schickte eine freundliche Ablehnung. Und der Drogeriemarkt schrieb: „Vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Unternehmen.“ Man könne die Fragen aktuell nicht beantworten und wünsche „gutes Gelingen für die weiteren Recherchen“.

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