Kölner PrüfunternehmenDer Tüv Rheinland ist auf Einkaufstour

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Prüfung eines PV-Moduls in Bangalore, Indien

Prüfung eines PV-Moduls in Bangalore, Indien

Das Unternehmen hat im vergangenen und diesem Jahr weltweit zugekauft. Der Skandal um französische Brustimplantate belastet den Tüv weiter schwer. 

Der TÜV Rheinland will weiter kräftig wachsen. Dafür hat der Prüfkonzern im vergangenen Jahr insgesamt zehn Unternehmen in Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien zugekauft. Das ist die größte Summe von Übernahmen in der 150-jährigen Unternehmensgeschichte. Die Nummer drei der deutschen Prüfgesellschaften – nach Dekra und dem Tüv Süd – erweitert damit die Kompetenzen im Kerngeschäft: Die neuen Firmen kommen aus den Bereichen technische Beratung, Umwelt- und Gesundheitsschutz, funktionale Sicherheit und Cybersecurity, Arbeitsmedizin sowie Zertifizierung.

Umsatz konnte 2023 zulegen

Neben der klassischen Hauptuntersuchung von Fahrzeugen prüft das Unternehmen mittlerweile auch Maschinen, Medizinprodukte, Kleidung und Elektroprodukte. Die Schulung von Fachpersonal, Cybersicherheitsdienste und Beratungen sind weitere Standbeine. „Durch die Zukäufe haben wir unser Dienstleistungsportfolio gezielt gestärkt“, sagt Michael Fübi, Vorstandsvorsitzender der Tüv Rheinland AG. Im Zuge der Übernahmen seien rund 400 Expertinnen und Experten neu ins Unternehmen gekommen.

Der Konzern bleibt auch weiterhin auf Einkaufstour und hat im ersten Quartal dieses Jahres bereits drei weitere Firmen mit rund 500 Mitarbeitern gekauft. Tüv-Chef Fübi betont, dass man profitabel wachsen werde. Von den Zukäufen erwartet der Konzern zusätzlichen Umsatz von knapp 80 Millionen Euro.

Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Prüfdienstleister Erlöse in Höhe von 2,4 Milliarden Euro, nach 2,23 Milliarden im Jahr zuvor. Das ist ein Plus von 7,2 Prozent. Rechnet man Wechselkursschwankungen heraus, so lag das Umsatzwachstum bei 11,1 Prozent, sagt Finanzvorstand Philipp Kortüm. Im Ausland waren die größten Wachstumsregionen China sowie Indien, Naher Osten und Afrika (IMEA). Weltweit beschäftigt der Konzern in seinen Laboren und Prüfstellen mittlerweile 22.092 Mitarbeitende, davon 13.407 (60,7 Prozent) außerhalb Deutschlands.

PIP-Skandal kostete bislang 90 Millionen Euro

Der Skandal um Brustimplantate des französischen Herstellers PIP belastet das Kölner Unternehmen noch immer – seit den Anfängen im Jahr 2010. Der Tüv Rheinland hatte damals das Qualitätssicherungsverfahren des französischen Herstellers zertifiziert. PIP hatte jahrelang billiges, minderwertiges Industriesilikon bei Brustimplantaten eingesetzt. Am Mittwoch wies der Tüv die Vorwürfe erneut zurück. Man sehe sich ebenfalls getäuscht, so Konzern-Chef Fübi: „Wir sind unverändert der Überzeugung, dass wir nichts falsch gemacht haben.“

Noch anhängig sind Verfahren von rund 40.000 Klägerinnen in Frankreich, die vom Tüv Rheinland Geld haben wollen. Das letzte noch in Deutschland laufende Verfahren habe man gewonnen. Ebenso sei die Haltung des Tüv auch in allen anderen Rechtsräumen immer bestätigt worden, Frankreich sei ein Sonderfall. Seit 2010 beliefen sich die Kosten für die Rechtsstreitigkeiten auf rund 90 Millionen Euro, sagt Fübi: „Das sind immense Zahlen, um sich zu verteidigen, obwohl man unschuldig ist.“

Im vergangenen Mai musste der Tüv Rheinland zudem vor dem obersten französischen Gericht eine Niederlage hinnehmen. Danach musste das Prüfunternehmen seine Rückstellungen um 47 Millionen Euro erhöhen. In Summe beliefen sie sich nun auf 277 Millionen Euro, sagt Finanzvorstand Philipp Kortüm. Zugleich seien Forderungen über 160 Millionen Euro gegenüber einer Versicherung in der Bilanz aufgeführt.

Hohe Rückstellungen belasten Ergebnis

Vor allem wegen der PIP-Rückstellungen sank das Betriebsergebnis (Ebit)  um 42 Prozent auf 103,9 Millionen Euro. Für 2024 ist Fübi zuversichtlich, im ersten Quartal legte der Umsatz nach seinen Angaben fast zweistellig zu. Das Geschäft rund um Dienstleistungen mit Bezug zur Nachhaltigkeit - etwa Windräder-Arbeiten - soll in den kommenden Jahren besonders stark anziehen: Nach 580 Millionen Euro im Jahr 2023 sollen es eine Milliarde Euro im Jahr 2028 betragen. 

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