11.11. in KölnKein Schöner Tag für Karnevalisten – Kuckelkorn sieht „starkes Zeichen“

Lesezeit 6 Minuten
DSC_7846

Stadtdechant Robert Kleine (l.) begrüßt das Dreigestirn im Dom.

Köln – Der Martinstag ist ein November-Mittwoch wie jeder andere: Aufstehen, wenn es noch dunkel ist, Frühstück machen, Stulle schmieren fürs Kind und es dann zur Schule bringen. Es fängt an zu regnen. Volker Weininger, bekannt in seiner Type „Sitzungspräsident“, geht dann an den Schreibtisch. Seine rote Litewka und die Karnevalsmütze bleiben im Schrank. Elfter elfter zwanzigzwanzig. „Das tut weh!“ sagt der Kabarettist.

Auch wenn der Sessionsauftakt eher der Tag der Bands als der der Redner sei, seien ihm viele Termine weggefallen, angefangen von der Revue mit Brings, wo leider mit der Premiere auch wieder Schluss war. Er fürchte, das war sein letzter Auftritt in diesem Jahr. „Es ist kein schönes Gefühl, wenn man nicht arbeiten kann“, sagt der Mann, der seinen Beruf lebt und nicht zuletzt dank seiner schauspielerischen Perfektion so erfolgreich ist. Um 11.11 Uhr soll sein neuer Video-Sketch online gestellt werden. Wenn der Regen aufhört, will er eine Runde spazieren gehen.

180520weininger001

Kajuja-Präsident ist Volker Weininger privat und im Ehrenamt.

Nur der morgendliche Besuch im Dom hat für das kommende Dreigestirn einen Hauch von Normalität. Zu den Klängen des Martinsliedes, das Dom-Organist Winfried Bönig spielt, zieht eine kleine Entourage zum berühmten Lochner-Altar: Dreigestirn, Kinderdreigestirn, Festkomitee-Vorstand. 

„Alle guten Dinge sind drei“, begrüßt Stadtdechant Robert Kleine den Prinzen Sven I., Bauer Gereon und Jungfrau Gerdemie sowie das Kindertrifolium Prinz Hanno I., Bauer Leopold und Jungfrau Catharina, verweist auf die Heiligen Drei Könige und das Tryptichon Stephan Lochners. Dass der Karneval in der Pandemie anders sein wird, ist schon im Dom zu spüren: eine Ansprache mit viel Hoffen und Bangen, ein stilles Gebet, ein fast grantig georgeltes „Du bes die Stadt“, dass die Repräsentanten des Karnevals in die fast menschenleeren Gassen und Plätze der Altstadt entlässt. Die Andacht steht bei allen Tollitäten am 11.11. als erstes an, ehe es nach einem Frühstück im Café Reichard ins Rathaus und dann auf den Heumarkt geht. Doch diese Programmpunkte waren diesmal gestrichen.

Countdown auf der Dachterrasse von Kölner Hotel

Zum traditionellen Countdown treten die drei auf der Dachterrasse des Dorint-Hotels am Heumarkt vor den Fernsehkameras an und lassen – mit dem Kinderdreigestirn auf einer benachbarten Terrasse – bunte Luftballons steigen.

11112020elfterelfter027

Luftballons markieren den Sessionsauftakt in Köln

Kurzzeitig wird die Hofburg zum Homeoffice. „Man träumt ein Leben lang davon, einmal das Dreigestirn zu sein und malt sich die einzelnen Stationen aus – und dann kommt alles ganz anders“, sagt der designierte Prinz Sven Oleff. Beeindruckt habe ihn die Disziplin der Kölschen: „Die haben sich an die Regeln gehalten, sind weitgehend zu Hause geblieben. Die Kampagne hat funktioniert.“

20200803-ARO-DoroBoemmelLueckerath-7

TV-Abend: Bömmel und Doro Lückerath 

Wenig später ist der gemeinsame Tag für die Tollitäten in spe auch schon wieder vorbei. „Ich muss noch meinen Sohn aus der Kita abholen“, kündigt Björn Braun (demnächst Jungfrau Gerdemie) an. Mit Ehefrau Meike warte er auf weiteren Nachwuchs. „Die Geburt war für heute ausgerechnet. Aber der kleine Mann hält sich an die Regeln und bleibt heute noch drinnen.“ Das sonst übliche Abendessen der Tollitäten mit dem FK-Vorstand findet diesmal getrennt statt. „Jeder isst für sich, aber alle essen dasselbe – eine Gans to go.“

Auf dem Heimweg steht für das Dreigestirn noch ein Stopp am Heilig-Geist-Krankenhaus an. Dort liefert man 111 Weckmänner ab – fürs Pflegepersonal. Ebenfalls 111 Weckmänner, dekoriert mit einem Mund-Nasen-Schutz aus Marzipan, bringt das Kinderdreigestirn zum Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße. Hanno Bilzer, Leopold Enderer und Catharina Laschet überreichen das Gebäck sowie neue Orden an die Klinikchefs Michael Weiß und Matthias Wißkirchen, die die Geschenke später auf den Stationen verteilen. Für die Mini-Tollitäten endet der Tag dann mit Fast-Food in einem Drive-In.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Normalerweise hätte ich heute einige Auftritte gehabt. Auch auf dem Heumarkt“, sagt Bernd Stelter. „Aber alle Karnevalsveranstaltungen in Köln und in der Umgebung sind abgesagt, und das ist auch gut so.“ An Tagen wie diesen seien die Deutschen so, wie sie eigentlich immer sein sollten. „Sie gehen raus, sie gehen aus sich heraus, sie haben Kontakt zu Menschen, die sie eigentlich gar nicht kennen, sie feiern das Leben. Schunkeln, bützen, Kölsch trinken, laut singen, sich gegenseitig in den Armen liegen – das ist quasi die Definition von Corona. Und deswegen dürfen wir das im Moment nicht machen“ Der Karneval dürfe nicht zu einem Antreiber der Infektionszahlen werden. Der Clown steht auf der Bühne, um Menschen glücklich zu machen“, sagt Stelter „Aber wenn es zu gefährlich ist, bleibt die Gitarre im Koffer und der Clown zu Hause, damit sein Publikum gesund bleibt. Ich bin ein Clown, und ich will gar nichts anderes sein.“ Also blieb er am Mittwoch zu Hause – weitgehend jedenfalls. Nach einem Spaziergang am Rhein („10000 Schritte ist derzeit mein tägliches Pensum“) hat er sich mit Frau Anke aufs heimische Sofa gesetzt und zum Glas Wein eine Platte der Bläck Fööss aufgelegt. Er hofft, dass es ihm viele Jecke gleich tun. „Mindestens 90 Prozent der Kölner sind vernünftig.“

Fernsehabend bei Lückeraths

Das sieht Bömmel Lückerath von den Bläck Fööss ähnlich, der sich mit seinem Bruder Klaus – der Gitarre bei den Paveiern spielt – „und unseren Mädels zum Fernsehabend“ trifft. Nach gemeinsamen Abendessen steht die in der Vorwoche aufgezeichnete Sendung „Köln singt zohus“ auf dem Programm. „Darauf freue ich mich“, so Lückerath, der zuvor einige Stunden durch den Königsforst spaziert ist.

10112020stelter004

Bernd Stelter beim Spaziergang am Rhein

Die Atmosphäre sei schon komisch am Tag der Sessionseröffnung. „So haben wir uns das eigentlich nicht vorgestellt, als wir 2007 das Lied »Ävver bitte met Jeföhl« veröffentlicht haben.“ Kritisiert wurde darin gerade der 11.11. in der Altstadt, der mit Alkohol- und Gewaltexzessen „zu groß, zu unübersichtlich und ungemütlich“ geworden sei. „Nä, dat wolle mer nit. Dat bruche mer nit, dat simmer och nit. Nä do maache mir nit mieh met, dat hät met Fastelovend nix zo dun.“

Direkt morgens wissen, was in Köln passiert

Jetzt für „Stadt mit K“ anmelden!

SMK-Brasack

Was bringt der Tag? Was kann ich in Köln unternehmen? Wo sollte ich essen gehen? Oder soll ich vielleicht doch lieber ein Rezept nachkochen? Wie ist die aktuelle Corona-Lage in der Stadt? Und welche Geschichten sollte ich auf keinen Fall verpassen?

All das liefern wir Ihnen in unserem Newsletter „Stadt mit K“ von Montag bis Freitag immer bis spätestens 7 Uhr bequem und kostenlos in ihr E-Mail-Postfach.

Als Newsletter-Abonnent erhalten Sie außerdem regelmäßig exklusive Informationen und können an interessanten Aktionen und Gewinnspielen teilnehmen. 

Jetzt für „Stadt mit K“ anmelden und über Köln auf dem Laufenden bleiben! 

Hier geht's zur Anmeldung.

Fünf Jahre hatten die Fööss auf Auftritte am Heumarkt verzichtet, ehe sie im Vorjahr zurückkehrten, da sich die Rahmenbedingungen gebessert hatten. Auch in diesem Jahr wäre man dabeigewesen. Dennoch glaubt Lückerath, dass man aus der gegenwärtigen Situation lernen kann. „Die Leute sehnen den ruhigen, besinnlichen Karneval herbei. Laute Party-Stimmung ist derzeit nicht gefragt. Mer denn je gehören Laache und Kriesche zusammen.“

Volker Weininger macht Schluss für heute. Nachmittags hat er WDR 4 ein Interview gegeben. Zu Hause hört er noch ein bisschen Radio. Dass „Radio Köln“ an diesem Tag keine Karnevalsmusik spielt, will er nicht kommentieren. „Dazu ist alles gesagt.“ Und im Öffentlich-Rechtlichen laufen sie ja, die Lieblingslieder aller Kölschen. Der Sitzungspräsident macht sich ein Feierabendbier auf. Nützt ja nix.

Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn zieht derweil eine positive Bilanz. „Den Tag über bin ich durch die Stadt gegangen und gefahren und habe langsam realisiert, was man alles aufgibt. Man spürt den Verlust und was das mit einem macht. Aber die Kölner haben gut mitgespielt, ich habe nur Positives gesehen. Da bin ich stolz drauf. Das war ein ganz starkes Zeichen.“  

KStA abonnieren