Versteckte SchätzeNirgends gibt es in NRW so viele Denkmäler wie in Köln – Diese kennen Sie vielleicht nicht

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Schwarz-weißer Marmorboden glänzt im Foyer des Maison Belge.

Außen sachlich, innen das glanzvolle Foyer mit Marmorboden von Innenarchitekt war Hans Hansen: Das Belgische Haus war das erste ausländische Kulturinstitut, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Köln eröffnet wurde – es ist eines von 9000 Denkmälern in Köln.

Der Blick auf Denkmäler ändert sich, ihre Schutzbedürftigkeit verliert an Akzeptanz. Ein Blick auf verborgene Schätze in Köln und den Wandel.

Es hätte keinen besseren Zeitpunkt geben können, um nach oben zu sehen. Just in diesem Moment lassen Bauarbeiter vom Gerüst am Agrippabad die Planen fallen. Das war nicht abgesprochen, was die Enthüllung noch effektvoller macht: Nach und nach geben sie den Blick frei auf ein großes Relief. Zu sehen ist ein Schwimmer, der vom Startblock ins Wasser springt – über die gesamte Fassadenbreite hinweg. Der Bewegungsablauf wurde einst in acht Einzelbildern filigran in die Betonwand gearbeitet und ist jetzt endlich wieder zu erkennen.

Ein Bauarbeiter ist vor einem Baugerüst zu sehen. Dahinter zeichnet sich das kunstvolle Relief auf der Fassade ab.

Ein Schatz noch hinter Gerüst-Gittern: Das Kunstwerk von Ernst Wille an der Fassade des Agrippabads ist jetzt wieder zu erkennen.

Die farbige Fassung des Kunstwerks von Ernst Wille wurde erst mit der Gebäudesanierung neu entdeckt und wiederhergestellt. Selbst Thomas Werner war die Jahre zuvor ahnungslos daran vorbeigelaufen, trotz geschulten Auges.

Kölner Stadtkonservator Thomas Werner: „So eine aufwändige Gestaltung würde heute niemand mehr realisieren.“

Der Stadtkonservator Kölns zeigt sich beeindruckt: „So eine aufwändige Gestaltung würde heute niemand mehr realisieren.“ In den 1950ern war das noch möglich. Damals gab es noch die dafür ausgebildeten Handwerker, die Kosten waren überschaubar und der Gestaltungsanspruch hoch. Ein kleiner, feierlicher Augenblick.

Werner ist mit seinem Stellvertreter Daniel Buggert gekommen und neben der Bewunderung ist bei beiden auch Erleichterung festzustellen. Es könnte eines dieser Zeitzeugnisse sein, die der Stadtgesellschaft wieder den besonderen Reichtum vor Augen führen könnte: „Köln verfügt über eine Fülle von Bauten aus der Nachkriegszeit, die von herausragender Qualität sind“, sagt Werner. Zum anderen steht diese Maßnahme natürlich auch für die fachliche Arbeit des Amtes. Die Akzeptanz der Denkmalpflege und des Denkmalschutzes habe in den letzten Jahren doch etwas gelitten, findet er.

9000 Denkmäler zählt Köln, so viele wie keine andere Stadt in Nordrhein-Westfalen. Werner leitet ein Amt mit 22 Mitarbeitern, das sich um die oberirdischen Baudenkmale aus 2000 Jahren Geschichte kümmert. Veränderungen an den Bauten müssen Eigentümer mit dem Amt abstimmen, was natürlich zu Konflikten führen kann. Das Verständnis für seine Aufgabe sei schon mal größer gewesen, überhaupt das Interesse an Historischem, sagt er.

An einem Tag wie diesem formuliert der Stadtkonservator aber hoffnungsfroh sein Anliegen: Er würde gerne an die gesellschaftliche Haltung aus den 80ern anknüpfen, Jahre allgegenwärtiger Kulturgut-Begeisterung. Die ging zurück auf eine Initiative im Jahr 1975. Damals rief der Europarat das „Europäische Denkmalschutzjahr“ aus und wollte so das Bewusstsein für die Bedeutung des kulturellen Erbes stärken.

Auf einen Wertewandel folgte Kulturtourismus

Tatsächlich führte unter anderem diese Kampagne zu einem Wertewandel in der Bevölkerung und hatte spürbaren Einfluss auf Nordrhein-Westfalen. Museen, Denkmalbehörden und gemeinnützige Organisationen organisierten Ausstellungen, Vorträge und Führungen, um die Öffentlichkeit für den Auftrag zu sensibilisieren. Prompt wuchs die Bereitschaft, sich auch ehrenamtlich bei der Restaurierung und Pflege von Denkmälern einzubringen.

Nicht zuletzt wurde vielen klar, dass historische Stätten nicht nur identitätsstiftend sind, sondern zukunftsträchtig vermarktet werden können: Der Kulturtourismus rollte an. Der Denkmalschutz, in NRW bereits 1950 sogar in der Landesverfassung verankert, wurde 1980 zusätzlich mit einem eigenen Gesetz gestärkt. „Die gesellschaftliche Selbstverpflichtung ist also ungleich größer als in anderen Bundesländern, in denen kein Verfassungsrang besteht.“, betont der stellvertretende Stadtkonservator Buggert.

Daniel Buggert:„Wir arbeiten weder museal noch nach eigenen Vorlieben“

Die Herausforderungen haben sich allerdings geändert: Die Ressourcen sind knapp, die Wohnungsnot drückt und zeitgemäßer Denkmalschutz muss Umnutzungen und Modernisierungen – gerade hinsichtlich der Energiewende – möglich machen. Man sei bemüht, sich darauf einzustellen. „Wir arbeiten weder museal noch nach eigenen Vorlieben.“ Das seien immer wiederkehrende Vorwürfe. „Wir müssen aber behutsam vorgehen und das dauert manchmal“, sagt Buggert.

Dass sie sehr wohl mit der Zeit gehen, betonen beide und verweisen beispielhaft auf das Merkblatt zur energetischen Ertüchtigung bei Baudenkmälern. Sie hätten sich früh dazu Gedanken gemacht, weil Klimaschutz und Denkmalpflege nicht immer leicht zu vereinbaren sind. „Wir verstehen uns da als konstruktive Moderatoren“, sagt Buggert und meint: Es gibt keine pauschalen, sondern immer maßgeschneiderte Lösungen. Jedenfalls gibt es Lösungen.

Wie unstrittig Denkmalschutz auch funktionieren kann, zeigt nun die Sanierung am Agrippabad durch die KölnBäder GmbH. Deren sensibler Umgang mit dem Werk hat Vorbildcharakter. Betonbauten aus den 50ern kommen in die Jahre, aber Fachingenieure zu finden, die Erneuerungen wie diese planen können, ist schwierig.

Das Umspannwerk ist von der Seite aufgenommen zu sehen.

Technikbau als Schmuckstück: Die Vorliebe zum Dekorativen der 1950er Jahre zeigt sich auch am Umspannwerk „Unterwerk Mitte“ in der Kölner Altstadt.

Das Relief ist nur eines von vielen Werken in der Stadt, die die damalige Vorliebe zum Dekorativen dokumentiert. Die lässt sich nicht nur an repräsentativen Gebäuden ablesen, sondern auch an Funktionsbauten wie eben dem Agrippabad. Sogar Umspannwerke waren Schmückstücke. Nur einige Meter weiter steht ein solcher Technikbau der einstigen Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG, heute Rhein-Energie. Auch dieses musste angesichts der Energiewende modernisiert werden, die Hülle hat man restauriert und ist auf den damaligen Sinn für Ästhetik gestoßen – und das an einem Bau, den niemand betreten darf. Große Bogenfenster wurden damals eingelassen, um die Technik im Gebäude auszustellen. Die Türen sind jetzt wieder gestrichen, moderne Festverglasung eingebaut, farbliche Absetzungen erneuert – alles unter der Aufsicht der Denkmalpflege.

Große Bogenfenster mit Sprossen sind zu sehen von der Fassade des Umpannwerks Mitte.

Ästhetische Fenstergestaltung am Umspannwerk: Große Bogenfenster machten es Passanten möglich, die Technik im Gebäude zu sehen.

„Welche Arbeit man sich damals gemacht hat“, sagt Herr Buggert dann noch und berührt die Fassade: Ein Edelputz mit Glitzermomenten. Um so etwas wertzuschätzen, braucht es natürlich viel Muße. Und Wissen. Aber auch offensichtlichere Schönheiten gehen häufig unter, sagt er. „Die Reizüberflutung unserer Zeit lenkt viel zu sehr ab, um sie wahrzunehmen.“

Ein Kupferrelief auf der Fassade des Umspannwerks.

Aufwändiges Detail an der Fassade, die Glitzerputz edelt: Das bandförmigen Kupferrelief hat einen Durchmesser von mehr als zwei Metern. Gestaltet wurde es 1952 von dem Kölner Maler und Plastiker Ernst Wille (1916–2005).

Lärm, Werbung, Baustellen, Handy im Gesicht. Krisen möchte man hinzufügen, im Kopf tönen Katastrophen und tausend andere Nöte. Schwer vorzustellen, dass sich die Menschen in ihrer Freizeit am Edelputz eines Umspannwerks ergötzen. Einerseits. Andererseits, warum denn nicht?

Diese Augenlust ist kostenfrei zu haben. Wer in der eigenen Stadt innehält, kann über viele Leistungen aus der Vergangenheit staunen, sich über deren Erhalt und somit auch über den Erhalt von Lebensqualität freuen. Ein bisschen Kontinuität tut gut. Und wer für die subtilen Finessen des Umspannwerks nicht empfänglich ist, muss nur mal rüber in die Cäcilienstraße gehen.

Zu sehen ist die Eckansicht des Belgischen Hauses in der Kölner Innenstadt.

Seit 2019 ist das Römisch-Germanische Museum vorübergehend im Belgische Haus untergebracht.

Hier steht groß und auffällig das Maison Belge, das Belgische Haus. Es war das erste ausländische Kulturinstitut, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Köln eröffnet wurde. In seinen Räumen ist seit 2019 das Römisch-Germanische Museum vorübergehend untergebracht. Für diesen Zweck musste es zunächst hergerichtet werden: Im desolaten Zustand soll es gewesen sein, aber vieles von der ursprünglichen Gestaltung war noch übrig – und die lässt auf eine abenteuerliche Entstehungsgeschichte schließen.

Maison Belge innen: Marmor und die Kunstvolle Tür zum Telefonraum.

Maison Belge innen: Marmor und die Kunstvolle Tür zum Telefonraum.

In nur einem Jahr, von 1949 bis 1950, wurde das Gebäude von einem Belgischen Verein im Gefolge der Streitkräfte errichtet. Und zwar mit dem, was gerade angekarrt wurde: Hölzer, Belgisch Granit, Rouge Royal Bruchsteine, Eisen. Geschmuggelt, geklaut, auf dem Schwarzmarkt erstanden – die Entstehung bietet so viel Stoff für Legenden, dass Marcus Trier, Direktor des Römische-Germanischen Museums, eigens ein Buch darüber schrieb. Mit Fotografien von Candida Höfer, die hier in den 80ern und nach der Restaurierung Bilder machte.

Kein Wunder: Zu sehen ist ein kurioser Stilmix, untypisch wenig Sachlichkeit. Alles eher gediegen, traditionell oder expressionistisch? Man passiert in Holz eingefasste Durchgänge und Marmor-Säulen, schreitet auf dem Weg ins Direktorium über roten Teppich und kann mit der Hand über Kellenputz fahren.

Manche Kölner werden sich noch an das Restaurant im ersten Geschoss erinnern, der Eingang ist noch erhalten, den Plüsch muss man sich allerdings dazu denken. Dann sieht man auch förmlich den kubanischen Zigarrenqualm schwer im Gang hängen. Dieses Haus ist ein Glücksfall für das zurzeit heimatlose Museum und ein Beispiel, dass mit Denkmalschutz auch eine neue Verwendung möglich ist, sagt Werner. „Das ist es, was an unserem Beruf besonders Spaß macht: Entdecken und wieder erwecken.“

Ein roter Teppich läuft über eine schwarze Marmortreppe ins Obergeschoss.

Kurioser Stilmix im Belgischen Haus: statt epochengemäß sachlich üppig, gediegen, fast mondän.

Die Kölner müssen dafür nur ab und zu mal nach oben sehen. Dazu noch ein Tipp von Buggert: Um zum Beispiel das Relief am Agrippabad in aller Deutlichkeit zu entziffern, dem sei der Morgen zu empfehlen. Dann scheint die Sonne direkt aufs Kunstwerk.


Tausende Denkmäler in Nordrhein-Westfalen

Nordrhein-Westfalen hat ein großes historisch-kulturelles Erbe: Mehr als 80.000 Baudenkmäler und 7000 Bodendenkmäler sind hier eingetragen. Die meisten, nämlich 80 Prozent der Baudenkmäler, befinden sich im Privatbesitz.

Zu den besonderen Attraktionen gehören die sechs Unesco-Welterbestätten: Der Aachener Dom, die Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl, der Kölner Dom, die Zeche Zollverein in Essen und das ehemalige Benediktiner Kloster Corvey. Zuletzt in die Liste aufgenommen wurde der Niedergermanische Limes, dessen Überreste in 19 Kommunen des Landes zu finden sind. Die beliebteste Sehenswürdigkeit nicht nur in NRW, sondern in ganz Deutschland ist der Kölner Dom mit jährlich mehr als 6 Millionen Besuchern.

Hinzu kommen die nationalen Monumentaldenkmäler wie das Hermanns-Denkmal bei Detmold und das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica.

Die „Bruchhauser Steine“ im Sauerland und die „Kluterthöhle“ in Ennepetal gehören zu den so genannten Nationalen Naturmonumenten.

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