LeserbriefeDiskussion über Kölner und Düsseldorfer Mottowagen

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Auf einem Mottowagen des Kölner Rosenmontagszugs wird Kanzler Olaf Scholz als Faultier dargestellt, das untätig auf einem Ast liegt. Der Kopf des Faultiers trägt die Gesichtszüge des Kanzlers.

Kanzler Olaf Scholz als Faultier auf einem Wagen des Kölner Rosenmontagszugs

Wer bei den Persiflagewagen der Rosenmontagszüge geistreichen Spott erwartet hatte, wurde häufig enttäuscht. Leser schildern ihre Eindrücke.

Als Satire durchgefallen – Persiflagewagen in Köln und Düsseldorf bedienen sich einer falschen oder sogar gefährlichen Bildsprache – Leitartikel von Joachim Frank (14.2.)

Faultier-Mottowagen: Unverschämt und daneben

Der Kölner Wagen war keine Satire mehr, er war schlichtweg unverschämt und daneben. Wenige Leser werden die Kolumne „Das Faultierlächeln des Kanzlers“ von Hanns-Josef Ortheil am 8. Februar über das Wesen des Faultiers gelesen haben. Dass der Ausdruck „in sich ruhend“ mit dem Wesen des Bundeskanzlers assoziiert wird, kommt beim Mottowagen nicht rüber. Und als faul kann man den Bundeskanzler mit Sicherheit weder sehen noch bezeichnen. Ingrid Quadt Bad Honnef

Persiflagewagen: Satire mit Diffamierung verwechselt

Satire darf alles – wenn es Satire ist. Karneval lebt von der Satire, aber was in diesem Jahr von verschiedensten Akteuren serviert wurde, war keine Satire, war unterstes Niveau bis zur Hetze. Den Bundeskanzler als Faultier darzustellen, war keine politische Kritik, sondern menschliche Verachtung. Scholz mag sich spröde präsentieren oder für anders denkende politisch das Falsche tun, aber faul zu sein, ist einfach eine Diffamierung unter der Gürtellinie.

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Genauso Söder und Wagenknecht, indem der eine Steffi Lemke mit Margot Honecker verglich, die andere von der schlechtesten Regierung der Welt sprach, dann ist das weder lustig noch geistreich, sondern primitivste Diffamierung, von der Hetze der AfD kaum noch zu unterscheiden. Dieser Stil erinnert an Weimar ab etwa 1928 und ist für Demokraten eine Schande. Roland Appel Bornheim

Faultier-Mottowagen: Verheerende Außenwirkung

Zugegeben, ich bin kein großer Karnevalist und gleichsam kein Fan von Olaf Scholz und seiner Truppe. Allerdings war ich schon bei der Vorstellung der Wagen in Fernsehen und Print unangenehm berührt. Selbstverständlich gelten in der fünften Jahreszeit, insbesondere im Rheinland, teils andere Regeln als im sonstigen Deutschland und in der übrigen Zeit des Jahres. Dennoch finde ich, dass ein Rest an Anstand und Respekt angebracht ist.

Olaf Scholz als Faultier darzustellen, ist weder witzig noch eine besondere intellektuelle Leistung, eher das Gegenteil. Eine derartige Darstellung ist auch nicht durch den „Rheinischen Karneval“ legitimiert, er ist immerhin der Bundeskanzler dieses Landes. Ihn als Faultier darzustellen, geht absolut nicht, auch wenn er Eloquenz und oft das passende Wort vermissen lässt, es ist ihm eben nicht die Gabe der großen Rede gegeben. Auch gelegentlich mangelndes diplomatisches Geschick – da gibt es in der Regierung andere Koryphäen – rechtfertigt keine derartige Herabwürdigung.

Zudem sollte man sich auch die Frage nach der Außenwirkung stellen, und das nicht nur für das Rheinland. Die Darlegungen von Hanns-Josef Ortheil im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 8. Februar mögen gut gemeint sein, wirken auf mich allerdings eher mühsam, konstruiert, etwas hilflos und können den anfänglich geschilderten Eindruck nicht ausräumen. Dr. Johannes Koch Bornheim

Persiflagewagen: Respekt fehlt

Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wird als Faultier liegend auf einem Ast dargestellt. Millionen Menschen haben das gesehen. Empfinden Sie das als Persiflage? Zeugt das nicht von Respektlosigkeit? Wird die Menschenwürde des Kanzlers nicht verletzt? Der Wagen „To be or Nato be“, auf welchem der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj zu sehen ist, beschäftigt sich mit dem Eintritt der Ukraine in die Nato. Befürworten Sie den Eintritt der Ukraine in die Nato? Haben Sie keine Sorge, dass Europa dann in einen großen Krieg eingebunden werden kann?

Finanzminister Christian Lindner wird als Schwein dargestellt. Zeugt nicht auch dies von Missachtung der Menschenwürde und des Respekts? Genauso wie die Darstellung der Außenministerin mit überlanger Zunge? Kann der Narr der Obrigkeit nicht einen Spiegel vorhalten, der Respekt und Menschenwürde achtet? In diesem Jahr sind Wahlen. Ist das nicht Wahlbeeinflussung? Sicherlich ist Ihnen das Gedicht „Fragen eines lesenden Arbeiters“ von Bertolt Brecht bekannt. Frei nach diesem Gedicht stelle ich diese Fragen. Ruth Börgartz Leverkusen

Tierische Politiker-Darstellungen: Geschmacklos und ehrabschneidend

Karneval soll lustig sein, darf auch gerne etwas ironisch sein, aber die Darstellung des Kanzlers als Faultier und eines Ministers als Schwein ist weder das eine noch das andere, sondern nach meinem Empfinden geschmacklos und ehrabschneidend. Inge Hillenberg Köln

Auf einem Wagen des Kölner Rosenmontagszugs ist eine alte Frau zu sehen, die ein Palästinensertuch trägt sowie eine Schärpe, auf der in gotischer Schrifttype das Wort „Antisemitismus“ steht. Begleitet wird sie von zwei Kettenhunden. Eine blonde Figur in brauner Kleidung steht vor und küsst ihre Hand. Hinter dem Rücken hält die Figur ein Schild mit dem Text „Zurück in der Gesellschaft“, wodurch sie als Symbolgestalt für die neue Rechte erkennbar wird.

Mottowagen „Antisemitismus“ im Kölner Rosenmontagszug

Mottowagen-Kritik: Moralische Maßstäbe zu streng

Der Persiflagewagen zu Antisemitismus im Kölner Rosenmontagszug hat auf den ersten Blick bei mir zwar ein leichtes Störgefühl ausgelöst, jedoch finde ich die davon ausgehende Botschaft im Kern richtig und im Grunde gelungen. Der Leitartikler hat nun offenkundig viel Zeit und Mühe aufgewandt, den Vorgang richtiggehend zu sezieren und eine haarscharfe detaillierte Analyse unter dem Aspekt „Satire“ – mit Bezugnahme auf Kurt Tucholsky als „Kronzeugen“ – vorzunehmen.

Im Ergebnis wird das vernichtende Urteil gefällt, man bediene sich bei dem Persiflagewagen einer falschen oder gefährlichen Bildersprache. Indes: Zu viel der Liebesmüh, zu viel des Problematisierens und Witterns von Gefahren, zu strenge moralische Maßstäbe. Und alles in allem auch nicht frei von Beckmesserei. Roland Schweizer Leverkusen

Mottowagen: Weitere Respektlosigkeit

Vielen Dank für ihren Beitrag, Herr Frank. Sie sprechen mir aus der Seele! Diese Art von Karneval hält mich davon ab, mir die großen Umzüge überhaupt noch anzusehen. „Kein guter Witz, sondern eine schlecht ins Bild gesetzte politische Analyse“ trifft den Nagel auf den Kopf. Kein Wunder, dass die Respektlosigkeiten von Tag zu Tag zunehmen! Karlheinz Gödert Köln

Antisemitismus-Wagen: Kritik nicht stimmig vermittelt

Danke für den Interpretationsansatz! Es fehlten nur die Halsbänder der Hunde, die unzweifelhaft durch ihre Farben eine Beziehung zu den Palästinensern aufweisen. Zusammen mit zwei anderen Jecken mit kölsch-schweizerischen Wurzeln habe ich gestern lange über Dürrenmatt gesprochen und die Intention seines Theaterstücks mit dem Persiflagewagen in Verbindung zu bringen versucht.

Das wäre Stoff für einen Maturaaufsatz im Fach Deutsch. Da kann man nur sagen: Von hinten durch die Brust ins Auge! Wer sollte das am Zugrand verstehen – das mussten erst die Social Media aufgreifen und breittreten. So bleibt nach all dem Inklusionsgeschwafel vor dem Zug am Ende vor allem dieser bittere Nachgeschmack. Martina Schmitz Köln und Zürich

Satirewagen: Wirkung abhängig vom jeweiligen Betrachter

Karnevalswagen und -kostüme gefallen oder gefallen nicht, das hängt von Perspektive, Auffassungsgabe und Geschmack des Betrachters ab. Ich möchte Ihrem Kommentator, der Tucholsky bemüht, widersprechen. Es muss im Karneval möglich sein, ohne literatur- oder geschichtswissenschaftliche Vorbildung Freude zu haben und zu verbreiten – bei aller „Fehleranfälligkeit“, die aus akademischer Sicht damit verbunden sein mag. Stefan Siebers Bergisch Gladbach

Sehnsucht nach geistreicher Satire im „Zoch“

Bravo, Herr Frank, Sie haben eine Applaus-Rakete verdient. Ich jedenfalls trommele und pfeife mit. Ihre Kritik ist begründet und Ihre Analyse klar und faktenreich. Wie publikumswirksam ist diese exorbitant respektlose, beleidigende und maßlose Darstellung unserer Regierungsmitglieder in den Rosenmontagszügen Düsseldorf und Köln? Deren Tun oder Nichtstun mir auch nicht immer gefällt. Aber diese Darstellung ist doch Motivation für weitere Hass- und Hetzkampagnen in den (a)sozialen Netzwerken, frei nach dem Motto: „Gießen wir noch etwas Öl ins Feuer, damit es richtig brennt“. Nur frage ich mich: Wer soll das löschen?

Beeindruckt hat mich, nebenbei gesagt, die unkritische Kommentierung der Persiflagewagen durch die TV-Kommentatoren und -kommentatorinnen. Bedeutet Persiflage doch eigentlich „geistreiche Verspottung durch übertreibende Nachahmung“. Aber außer einem vielstimmigen: „Spitzenstimmung! Alaaf! Helau! Wahnsinn! Nee, wie schön! Super!“ hätte ich manchmal eine klitzekleine „geistreiche“ Kritik an bestimmten Wagen erwartet. Hans-Jürgen Hauke Köln

Ein Mottowagen des Düsseldorfer Rosenmontagszugs zeigt eine Büste von Olaf Scholz. Hinter der Stirn des Kanzlers befindet sich allerdings ein Hohlraum, was ihm die Bezeichnung als „Kanzler Hohlaf Scholz“ einträgt.

Der Bundeskanzler als „Kanzler Hohlaf Scholz“ im Düsseldorfer Rosenmontagszug

Mottowagen: Grenze zur Beleidigung überschritten

Vielen Dank für diese Richtigstellung. Satire darf vieles und Politiker müssen sich im Karneval auch „veräppeln“ lassen, so wie es seit den Zeiten der Hofnarren guter alter Brauch ist, aber im Falle der angesprochenen Karnevalswagen wurde eindeutig eine Grenze zur Beleidigung überschritten. Man kann Kanzler Olaf Scholz sicher in einigen Punkten kritisieren, man kann sich etwa mehr Eloquenz von ihm wünschen, aber dass er oder auch ein anderer der Regierungsmannschaft faul sei, das kann man sicher nicht annehmen.

Im Gegenteil: Spitzenpolitiker haben garantiert so gut wie kein Privatleben mehr, opfern ihr Leben dem Gemeinwesen, wollen für uns die Zukunft gut gestalten. Ob ich deren Politikstil oder Überzeugung gut finde, steht auf einem anderen Blatt. Wenn nur die Hälfte der Menschen, die über ihn spotten und die man an normalen Arbeitstagen durch die Gegend trödeln oder irgendwo „faul herumhängen“ sieht, nur halb so fleißig wären wie der Kanzler und seine Regierungsmannschaft, stünde Deutschland wirtschaftlich deutlich besser da.

Ihn als Menschen ohne Hirn darzustellen, wie in Düsseldorf geschehen, ist eine echte Frechheit und beleidigt auch seine Wähler, auf die dasselbe Etikett dann ja auch geklebt wird. Es ist im übrigen immer billig, auf jemanden einzudreschen, auf dem auch alle anderen schon herumhacken, weil er eben kein stromlinienförmiger, eitler Selbstvermarkter ist: Das garantiert Lachsalven, ist aber schon in der Kita und auf dem Schulhof schäbig. Margret Schmitz Pulheim

Dank für deutliche Worte zum „Hohlaf Scholz“

Danke für Ihre deutlichen Worte zum „Hohlaf Scholz“ im Düsseldorfer Zug. Ich hatte mich auch schon gefragt, ob der bisher immer über den grünen Klee gelobte Jacques Tilly von allen guten Geistern verlassen wurde, um es mal bürgerlich auszudrücken. Wahrscheinlich macht er schon schwarz-gelben Wahlkampf, hatte aber die Volte des großen Vorsitzenden noch nicht mitbekommen, der seinerseits aus München schon wieder zurückgepfiffen wurde. Der kommende Wahlkampf lässt nichts Gutes erwarten. Sigrid Pauly Köln

Karnevals-Mottowagen: Deutliche Grenzüberschreitung

Sehr gefreut habe ich mich über die vielen Leserbriefe zu den Kölner und Düsseldorfer Karnevalswagen. Ich bin froh, dass sich doch auch viele andere Leser an der respektlosen Persiflage gestört haben! Ich finde, alles hat seine Grenzen – und die war hier absolut überschritten. Ilona Kaiser Köln

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