FachkräftemangelSo ist die Lage auf dem Ausbildungsmarkt im Kreis Euskirchen

Lesezeit 4 Minuten
Zwei Auszubildende stehen an einer Anlage der Firma Holtec in Hellenthal-Blumenthal.

Zwei der derzeit 15 Auszubildenden in der Firma Holtec sind Dominik Bock (l.) und Yannick Esser.

Es gibt mehr Ausbildungsplätze und mehr Bewerber im Kreis Euskirchen. Doch von einer Entspannung ist nicht die Rede.

Wie viele offene Stellen gibt es auf dem Ausbildungsmarkt? Und wie viele Bewerber? Diese Fragen sollten in Zeiten des Fachkräftemangels niemanden kalt lassen, der schon einmal in einen Supermarkt geht und dort Verkäufer sucht, der einen Schreiner, Heizungsbauer oder Automechaniker benötigt. Zweimal im Jahr, im Frühling und im Herbst, stellt die Bundesagentur für Arbeit die Ausbildungsbilanz für den Kreis Euskirchen vor. Und da konnte Ralf Holtkötter, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur in Brühl, durchaus erfreuliche Entwicklungen verkünden.

So sei sowohl die Zahl der Bewerber als auch der angebotenen Ausbildungsplätze im Kreis gestiegen. 834 junge Menschen haben sich demnach von Oktober 2023 bis März 2024 bei der Ausbildungsstelle der Agentur gemeldet, 139 oder 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Ähnlich sei die Zahl der Ausbildungsstellen gestiegen: um 123, also 19,4 Prozent auf 750.

Holtec-Chefin betont Wert der Ausbildung für das Unternehmen in Hellenthal

Im März seien noch 454 Bewerber auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz gewesen, 182 hatten eine Ausbildungsstelle gefunden, die anderen haben sich für einen anderen Bildungsweg entschieden. Derzeit gebe es 507 freie Ausbildungsstellen. Das heiße aber nicht, dass sich die Zahlen gegeneinander auflösen ließen. „Das ist keine Mathematik, das ist individuell“, so Holtkötter. Einige freie Stellen gebe es in den Berufen, die begehrt seien, wie Verkäufer, Kaufmann oder -frau im Einzelhandel oder viele andere.

Generell sei eine Entwicklung festzustellen, die der Tendenz der Vorjahre entgegenlaufe, so Anja Daub, Geschäftsführerin operativ der Arbeitsagentur. „Die Auszubildenden wurden immer älter, jetzt aber wieder jünger“, hat sie beobachtet. 73 Prozent der Bewerber seien unter 20 Jahren. Dieses Jahr sei es gelungen, Bewerber vor allem von Realschulen anzusprechen und von einer Ausbildung zu überzeugen.

Vier Frauen und sechs Männer stehen in einer Produktionshalle auf einer Treppe. Die meisten legen eine Hand auf das orangefarbene Geländer.

Stellten die Frühjahrsbilanz auf dem Ausbildungsmarkt vor: Waltraud Gräfen (v.l.), Richard Graf, Anja Daub, Ralf Holtkötter, Barbara Göbel, Ute Clement.

Zwei Tonnenschwere Maschinen für die Rundholzbearbeitung stehen in einer Produktionshalle der Firma Holtec in Blumenthal.

Tonnenschwere Maschinen für die Rundholzbearbeitung stellt die Firma Holtec in Blumenthal her.

„Man kann nicht genug in Ausbildung investieren“, sagte Ute Clement, Geschäftsführerin der Holtec GmbH in Blumenthal, wo sich die Vertreter der Bundesagentur mit den Kollegen der IHK und der Handwerkskammer Aachen zur Bekanntgabe der Zahlen angesagt hatten. Ganz bewusst, denn Holtec ist seit vielen Jahren in der Aus- und Weiterbildung aktiv. „Wir haben bei 180 Mitarbeitern normalerweise etwa 20 Auszubildende“, so Clement. Aktuell seien es 15, doch im August kommen wieder vier neue dazu.

Es sei nicht einfach, Auszubildende zu bekommen. „Die Jugendlichen wollen sich alle Türen offenhalten in einer unsicheren Welt“, sagte sie. Trotzdem sei es wichtig, ihnen eine Duale Ausbildung ans Herz zu legen. Es gebe heute etwa durch das Duale Studium mehr Möglichkeiten als zu der Zeit, als sie gelernt habe. „Ich könnte zehn verschiedene Wege aufzeigen, die bei uns gerade begangen werden“, betonte Clement.

Nur ganz wenige machen im Kreis Euskirchen eine Ausbildung in Teilzeit

Barbara Göbel etwa, 2004 bei Holtec zur Industriekauffrau ausgebildet, hat gleich zwei Duale Studiengänge in BWL und Wirtschaftsrecht draufgesattelt. „Die Ausbildung war ganz wesentlich dafür, das muss man jungen Leuten ans Herz legen“, betonte sie.

Schon in der Ausbildung gibt es vielfältige Möglichkeiten. So durchläuft bei Holtec eine 38-jährige Frau die Ausbildung zur Industriekauffrau. „Sie kommt aus Russland, hat zwei Kinder, aber ihre Ausbildung als Dolmetscherin wurde nicht anerkannt“, so Clement. Die Umstellung im Betrieb, etwa auf ihre familiären Bedürfnisse, habe gut funktioniert. Die Berufsschule mache sie in Vollzeit, im Betrieb arbeite sie bei 60 Prozent.

„Viele stellen es sich kompliziert vor“, sagte Waltraud Gräfen von der IHK – doch das sei es nicht. Die Abschlüsse seien sehr gut, kaum jemand schaffe den Abschluss nicht. „Die Erfahrungen sind hervorragend“, sagte sie. Weit verbreitet ist das Modell jedoch aktuell nicht. Bei 10.000 Ausbildungsverträgen im Kammerbezirk seien es gerade einmal knapp 50 in Teilzeit. Und nur etwa fünf Betriebe im Bezirk bieten die Möglichkeit.

Im Handwerk sei die Quote noch geringer, so Richard Graf von der Handwerkskammer. Bei rund 6500 Ausbildungsverträgen seien es gerade einmal drei, zwei davon aus dem Kreis Euskirchen. „Es ist nicht so kompliziert, aber ein Weg, als Unternehmen attraktiv zu werden“, warb auch Holtkötter für diese Variante.


Veranstaltungen

„Speed Aix“, die Speeddating-Ausbildungsplatzbörse der IHK Aachen, findet am Mittwoch, 24. April, von 14 bis 17 Uhr im Kreishaus in Euskirchen statt.

Informationen über die Möglichkeit, eine Ausbildung in Teilzeit zu realisieren, gibt die Bundesagentur für Arbeit in einer Veranstaltung, die am Dienstag, 16. April, von 10 bis 11.30 Uhr online abgehalten wird. Weitere Termine und Informationen hält die Behörde bereit. Eine Anmeldung ist hierzu online erforderlich.  

KStA abonnieren