Europawahl 2024Politiker stellen sich in Odenthal den Fragen von jungen Erstwählern

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Jugendliche sitzen im Publikum, auf der Bühne sitzen Politiker mit Namensschildern. Hinter ihnen die Europafahne.

Jugendliche fragten - Politiker und Politikerinnen antworteten bei der Diskussion für Erstwähler in Odenthal

Zur Podiumsdiskussion hatte das „Bündnis Kürten für Vielfalt und Demokratie“ eingeladen. Migration, Sicherheit und Klima waren die Themen.

„Geht wählen – und wählt nachweislich demokratische Parteien“, diesen Appell richtete Leo Wulf, Vorsitzender der Organisation „Bündnis Kürten für Vielfalt und Demokratie“ an die Jugendlichen im voll besetzten Forum des Schulzentrums Odenthal. Mit Blick auf seine eigene Familiengeschichte warnte Wulf vor der Gefahr rechtsradikaler Stimmenfänger, die das demokratische System gefährdeten.

„In gegenseitigem Respekt und Achtung liegt der Schlüssel für ein friedliches Europa“, meinte er zum Auftakt der Podiumsdiskussion, die sich an Erstwählerinnen und Erstwähler richtete, die bei der Europawahl am 9. Juni zum ersten Mal ihre Stimme abgeben dürfen.

Migration, Sicherheit und Klimakrise waren die Themenkomplexe

Den Fragen zu den Themenkomplexen Migration, Sicherheit und Klima stellten sich: die Europakandidatinnen Liliane Viola Pollmann (Grüne) aus Wuppertal und Claudia Walther (SPD) aus Köln, die Europakandidaten Willy Bartz (FDP) aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis und Ludwig Degmayr (Freie Wähler) aus Köln sowie der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Martin Lucke (CDU).

„Das Mittelmeer ist eine der tödlichsten Fluchtrouten der Welt“, sagte Liliane Pollmann von den Grünen zur Dramatik der europäischen Flüchtlingssituation und forderte sichere Fluchtwege und eine „solidarische Verteilung“ der Flüchtlinge auf die europäischen Länder.

Asylverfahren in Drittstaaten sind umstritten

Für ein Asylverfahren in Drittstaaten sprach sich Martin Lucke (CDU) aus. Willy Bartz (FDP), dessen Familie nach eigener Aussage den Holocaust überlebte, sieht Europa in der Verantwortung, warnte aber auch vor Überforderung: „Wir können nur so lange helfen, wie wir Kraft dafür haben.“

„Wir haben zu wenig Wohnungen, auch an den Schulen gibt es Probleme und die Verteilung in Europa ist unfair“, zählte Claudia Walther (SPD) auf, dennoch habe sie „Bauchschmerzen“, wenn an den EU-Außengrenzen geprüft werden solle, wer Anrecht auf Asyl habe und wer nicht. Degmayr (Freie Wähler) forderte, 0,7 Prozent des nationalen Haushalts für Entwicklungshilfe auszugeben, um Fluchtursachen zu bekämpfen.

„Man darf nicht warten, bis wir nur noch Panzer schicken können“

Auch zur internationalen Sicherheitspolitik wollten die Jugendlichen die Standpunkte der Parteien wissen. Der Fokus müsse in der EU stärker auf Zusammenarbeit, auf Frieden und Wohlstand gelegt werden, weniger auf bürokratische Instrumente, meinte Lucke. Die internationale Krisenprävention im Vorfeld müsse verstärkt werden, forderte Pollmann. „Man darf nicht warten, bis es zu spät ist und wir nur noch Panzer schicken können“, meinte sie.

Ein junger Politiker sitzt auf dem Podium, eine Frau steht am Rednerpult und spricht in ein Mikrofon.

Das „Bündnis Kürten für Vielfalt und Demokratie“ moderierte die Veranstaltung im Odenthaler Schulzentrum

Degmayr sah die Sicherheit auf noch eine ganz andere Art bedroht – die Cyberkriminalität und die Abhängigkeit etwa von China bei der Versorgung mit Medikamenten. „Auf staatliche Hacker-Aktionen sind wir nicht gut vorbereitet“, stimmte Pollmann zu. Nur gemeinsam sei man stark, forderte Walther eine bessere Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten mit Blick auf die Lage in Russland, China und auch in den USA unter einem möglichen Präsidenten Trump.

Die Europäer hätten zu ausschließlich auf Diplomatie gesetzt

Die Europäer hätten lange versagt, weil sie immer nur auf Diplomatie gesetzt und die Verteidigungsfähigkeit vernachlässigt hätten, erklärte Bartz. Die russische Aggression habe aber schon lange vor dem Angriff auf die Ukraine beginnen, auf der Krim, in Georgien und Tschetschenien.

Versage die Diplomatie, müsse man auch über Streitkräfte verfügen, meinte er unter dem Applaus vieler Jugendlicher. Die EU brauche eine Verfassung als die „Vereinigten Staaten von Europa“, wie es schon Winston Churchill gefordert habe.

„Deutsche haben auf ukrainischem Boden nichts verloren“

Wie halten es die Parteien mit einem militärischen Einsatz Deutschlands in der Ukraine? Und wie mit einer Wiedereinführung der Wehrpflicht?, wollten es die Schüler schließlich ganz genau wissen und hätten am liebsten nur ein knappes „Dafür“ oder „Dagegen“ akzeptiert.

Da sagte Degmayr: „Deutsche Soldaten haben auf ukrainischem Boden nichts verloren“, Lucke verneinte einen militärischen Einsatz und bejahte eine „allgemeine Dienstpflicht“. Auch Bartz verneinte einen militärischen Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine, ebenso wie Pollmann, die sich gegen die Wehrpflicht aussprach.

„Müll muss Geld kosten“

Walther sagte, „Deutschland darf nicht zur Kriegspartei werden“. In der Frage der Wehrpflicht sprach sie sich für die freie Wahl zwischen Bundeswehr, Zivildienst und Freiwilligem Sozialen Jahr aus.

Die globale Bedrohung durch die Klimakrise war der dritte Themenkomplex der Diskussion. „Müll muss Geld kosten“, forderte Lucke (CDU) Seine Partei setze weniger auf Verbote, sondern versuche, das Verhalten über den Preis zu steuern. Gleichzeitig müsse man offen für neue Technologien sein.

„Wir haben keine Zeit, auf eine neue Technologie zu warten, die uns rettet“

„Wir haben keine Zeit, auf eine neue Technologie zu warten, die uns rettet“, widersprach Pollmann. „Wir müssen die Emissionen deutlich reduzieren.“ Europa habe die Chance, der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. „Umdenken und umlenken“, forderte Walther. „Eigentlich geht es nicht mehr um eine Klimakrise, sondern um eine Klimakatastrophe“, meinte sie. Man kämpfe um die „Zukunft unseres Planeten“. Degmayr forderte den Mut zu einem Energiemix in Europa und warnte, eine Politik zu betreiben, die den CO2-Ausstoß nur in andere Kontinente verlagere.

Viele Fragen, viele Antworten, keine Patentlösungen für die Probleme, vor denen Europa steht. Nur eines, das machten die Veranstalter deutlich, sei überhaupt keine Option: nicht wählen zu gehen.

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