Experte erklärtDiese einzigartigen Chancen bietet die Microsoft-Ansiedlung für Rhein-Erft

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Der Tagebau Garzweiler

Microsoft will künftig im Rheinischen Revier zwei sogenannte Hyperscaler errichten.

Dr. Daniel Stadler hat den Masterplan zur Entwicklung von Digitalparks mit entwickelt. Im Interview erklärt der Experte Hyperscaler und nennt Gründe für die Ansiedlung in Rhein-Erft. Er äußert jedoch auch Bedenken.

Dr. Daniel Stadler leitet die Abteilung für Technologie und Innovation beim Beratungsunternehmen NMWP Management mit Sitz in Düsseldorf und Euskirchen. NMWP hat zusammen mit dem Beratungsunternehmen Drees & Sommer den Masterplan zur Entwicklung von Digitalparks im Rhein-Kreis Neuss und Rhein-Erft-Kreis entwickelt.

Was passiert in einem Hyperscaler?

Dr. Daniel Stadler: Einfach gesprochen ist ein Hyperscaler nichts anderes als eine „Cloud vor Ort“. Der Hyperscaler speichert also Daten oder stellt Anwendungen zur Verfügung, die wir heute über das Internet abrufen, nutzen oder versenden können. Das können Fotos oder Dokumente sein, die wir „in der Cloud“ sichern, das können aber auch Angebote von Streaming-Diensten sein, die wir dann von daheim oder unterwegs nutzen können.

Ein Porträtfoto eines Mannes.

Dr. Daniel Stadler leitet die Abteilung für Technologie und Innovation beim Beratungsunternehmen NMWP Management mit Sitz in Düsseldorf und Euskirchen.

Auch digitale Produkte, wie Web-Angebote oder Online-Banking werden auf einem Hyperscaler zur Verfügung gestellt. Wichtig ist zu verstehen, dass Daten, auch wenn wir sie nicht so leicht mit den Händen anfassen können, trotzdem etwas „Greifbares“ sind und deshalb einen Ort brauchen, an dem sie gespeichert und abgerufen werden können. Hyperscaler sind also so etwas wie große Bibliotheken, in denen Informationen aufbewahrt und über das Internet weltweit abgerufen werden können.

Warum will sich Microsoft in Bedburg und Bergheim niederlassen, warum genau hier?

Dr. Daniel Stadler: Zur genauen Ansiedlungsentscheidung des Unternehmens kann ich nicht sagen. Aber es gibt ein paar grundsätzliche Standortfaktoren, die eine Ansiedlung von Hyperscalern im Rheinischen Revier sehr begünstigen. Da sind zunächst die beiden europäischen Datentrassen, also Hochleistungs-Internetverbindungen, zwischen Amsterdam und Frankfurt sowie Stockholm und Paris zu nennen, die sich im Rheinischen Revier kreuzen. Diese Internetverbindungen sind gewissermaßen die Bodenschätze von morgen – nur mit dem Vorteil, dass zum Heben dieser Bodenschätze kein Tagebau mehr nötig sein wird.

Das Rheinische Revier liegt inmitten der sogenannten Blauen Banane, der wirtschaftlich stärksten und bevölkerungsreichsten Region in Europa. 111 Millionen Menschen können von hier aus durch den Hyperscaler erreicht und versorgt werden. Das ist sehr attraktiv, nicht nur für Betreiber von Hyperscalern. Dafür wird sicher eine Menge Energie benötigt. Jeder weiß, wie ärgerlich es ist, wenn ein Film, den man gerade mit der Familie schauen möchte, in der Mitte auf einmal stehen bleibt, weil das Internet weg ist.

Stellen Sie sich jetzt einmal vor, das passiert mit Millionen von Daten, die ein Unternehmen heute im Alltag benötigt. Energiesicherheit ist also ein sehr wichtiger Punkt, wenn es um den Betrieb eines Hyperscalers geht. Und auch hier kann das Rheinische Revier punkten, denn die sehr niedrige Energieausfallrate in der Region liegt laut Bundesnetzagentur mit unter zehn Minuten auf Weltspitzenniveau. Nimmt man noch die Anbindung an die Offshore-Windparks und die Möglichkeiten zur Erzeugung der erneuerbaren Energien vor Ort, beispielsweise in Bedburg oder am Terra Nova, hinzu, ergeben sich viele Standortvorteile für die Region.

Ist von den Hyperscalern ein Schub fürs Rheinische Revier zu erwarten?

Dr. Daniel Stadler: Davon gehe ich aus. Allerdings möchte ich zu bedenken geben, dass es zu kurz gedacht sein könnte, wenn wir davon ausgingen, dass der Strukturwandel allein durch die Ansiedlung der Hyperscaler gemeistert wäre. Denn die Ansiedlung von Hyperscalern bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Unternehmen in der Region sich automatisch digitalisieren oder neu aufstellen. Hierzu braucht es Community-Building, Informations- und Weiterbildungsangebote.

Dennoch sind die Hyperscaler extrem wichtige Impulsgeber für die Region und meiner Meinung nach auch Dreh- und Angelpunkt der weiteren Entwicklung. Es ist also eine immense Chance für die Region, um den Strukturwandel erfolgreich zu gestalten. Wirklich viele Jobs werden die Hyperscaler selbst aber nicht bringen. Die Sekundäreffekte, also die Arbeitsplätze, die durch die Nutzung der Hyperscaler in den Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen entstehen, sind größer.

Um Beschäftigung in der Region zu schaffen, ist die Entwicklung von Digitalparks der logische nächste Schritt. Die Untersuchungen, die wir mit unseren Partnern von Drees&Sommer im Rahmen der Entwicklung eines Masterplans für Digitalparks im Rhein-Kreis Neuss und Rhein-Erft-Kreis durchgeführt haben, zeigen, dass durch die Entwicklung von Digitalparks bis zu 2500 neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze im Rhein-Erft-Kreis entstehen können.

Wer wird sich in diesen Digitalparks ansiedeln?

Dr. Daniel Stadler: Wir können davon ausgehen können, dass sich in einem Digitalpark handwerkliche Betriebe ebenso wohlfühlen werden wie Softwareentwickler oder das produzierende Gewerbe. Aber auch für Forschungseinrichtungen und Hotellerie sowie Geschäfte des täglichen Bedarfs kann ein Digitalpark sicherlich interessant sein. Eine erste Leitlinie, welche Themenfelder für die ersten Entwicklungsschritte der Digitalparks interessant sein könnten, haben wir in unserem Masterplan dargestellt.

Für den Rhein-Erft-Kreis haben sich hier insbesondere die Themen Digitale Chemie, also die Entwicklung neuer Wirkstoffe oder Materialien mithilfe von Computern sowie innovative Logistik-Anwendungen hervorgetan. Unter Logistik-Anwendungen verstehen wir im Übrigen nicht den Bau von Lagerhallen, sondern vielmehr eine Experimentierfläche für die Entwicklung innovativer Produkte, die die starke Logistik in der Region weiter nach vorne bringt. Themen wie Softwareanwendungen zur Routen- und Packoptimierung fallen hier beispielsweise darunter.

Welche Berufsbilder werden gebraucht?

Dr. Daniel Stadler: Sicher ist auf jeden Fall, dass die Region allein durch die Ansiedlung der Hyperscaler einen erheblichen Mehrbedarf an Fachkräften im Bereich der Software-Entwicklung haben wird. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Bau, der Betrieb und die Instandhaltung von Infrastruktur, was ein Digitalpark am Ende des Tages ja auch ist, eine Menge Beschäftigungs- und Betätigungspotenzial für die Region bereithält.

Darunter fallen klassische Instandhaltungsthemen wie Wartungsarbeiten an der Infrastruktur, Grünarbeiten und das Abfallmanagement. Durch die Nähe zu Forschungseinrichtungen, die sich in einem Digitalpark ansiedeln könnten, ist außerdem damit zu rechnen, dass wissenschaftliches Fachpersonal ebenfalls in einem Digitalpark benötigt wird. Die Digitalparks benötigen eine Vielzahl an möglichen Berufsbildern, um erfolgreich zu sein. Das ist eine immense Chance für die Menschen in der Region.

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