Umstrittenes VorhabenIn Troisdorf könnte der erste Spritzenautomat stehen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Grünfläche mit Bäumen. Links im Hintergrund steht ein Unterstand aus blauem Metall, rechts eine Art Carport aus Holz mit halbhohen Seitenwänden.

Auf dem Areal an der Kuttgasse soll nach dem Willen der Mehrheit im Troisdorfer Sozialausschuss ein Automat zur Ausgabe von Spritzen für Süchtige installiert werden.

Die umstrittene Installation eines Spritzenautomaten soll die Versorgung von Süchtigen mit sauberen Nadeln rund um die Uhr sicherstellen.

Für die Aufstellung eines Spritzenautomaten an der Kuttgasse hat sich eine Mehrheit im städtischen Sozialausschuss ausgesprochen. Auf dem Gelände, das die Stadt vor Jahren als Aufenthaltsort für suchtkranke Menschen eingerichtet hat, sollen Drogenabhängige rund um die Uhr Spritzen erhalten können. Benutzte Spritzen und Nadeln könnten dort auch entsorgt werden.

Polizei Rhein-Sieg stellt nötige Bescheinigung nicht aus

Für zunächst zwölf Monate soll der Automat aufgestellt werden; Eltern und Team der Kindertagesstätte sollen informiert und eingebunden werden. Dabei steht das Vorhaben unter einem wichtigen Vorbehalt: Die Kreispolizeibehörde muss eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen, was sie bislang abgelehnt hat – ohne dafür eine Erläuterung zu geben. 

Die FDP hatte den Antrag gestellt; für die Liberalen verwies Kerstin Schnitzker-Scholtes auf positive Effekte für die Gesundheit der Abhängigen: Statt Nadeln mehrfach zu verwenden oder gar gemeinsam zu nutzen, könnten sie saubere Spritzen erhalten. Das beuge einer Vielzahl von Erkrankungen wie HIV-Infektionen oder Hepatitis vor. 

Gesundheitsamt des Rhein-Sieg-Kreises befürwortet das Angebot

Denn Suchtdruck gebe es nicht nur zu den Öffnungszeiten des nahen Café Koko der Diakonie, sagte Schnitzker-Scholtes. Die Aufstellung eines solchen Automaten könne zudem dazu beitragen, dass der Platz an der Kuttgasse wieder besser angenommen werde. 

Rückendeckung für das Ansinnen der FDP war auf Anfrage der Stadtverwaltung unter anderem vom Gesundheitsamt des Rhein-Sieg-Kreises gekommen. Es spreche nichts gegen einen solchen Automaten, wenn er „gut in die bestehenden Strukturen des Suchthilfesystems in Troisdorf eingebunden“ sei. Neben der Versorgung Süchtiger rund um die Uhr biete ein solcher Automat auch die Möglichkeit, benutzte Spritzen sicher zu entsorgen.

„Sehr begrüßen“ würde die Diakonie Suchthilfe die Aufstellung eines Automaten, heißt es in deren Stellungnahme. Das Gelände an der Kuttgasse biete sich als Standort geradezu an, bei Deckung der Kosten durch die Stadt wolle man den Automaten gerne betreiben. Den Aufwand kalkulieren die Fachleute auf etwa 7000 Euro in einem Jahr.

Knapp und ablehnend äußerte sich die Polizei auf die Bitte um Stellungnahme aus dem Rathaus.„ Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung wird seitens der Kreispolizeibehörde nicht ausgestellt“ lautete die Antwort der Behörde, die in der Sitzungsvorlage abgedruckt ist. „Das ist nicht unsere Zuständigkeit“, sagte dagegen ein Sprecher der Polizei auf Nachfrage der Redaktion. „Die liegt bei der Ordnungsbehörde, also der Kommune.“

Ein Spritzenautomat, auf dem die zu ziehenden Sets beschrieben sind.

So ähnlich wie dieser Spritzenautomat derIntegrativen Drogenhilfe (idh)in Frankfurt könnte der Automat aussehen, der in Troisdorf aufgestellt werden soll.

Tatsächlich sieht der „Automatenbetreibervertrag“, den die Aidshilfe NRW als Eigentümer mit den Betreibern vor Ort schließt, eine „Abstimmung“ mit der zuständigen Gesundheitsbehörde und dem Ordnungsamt vor, außerdem den Verzicht der zuständigen Polizeidienststelle auf eine Beschattung des Automaten.

Die Stadtverwaltung sprach sich gegen das Vorhaben aus. „Nachvollziehbar“ seien die gesundheitlichen Argumente, doch seien die Bedenken stärker. Die Stadtverwaltung müsse auch den Schutz unbeteiligter Dritter im Blick haben.

Troisdorfer Stadtverwaltung fürchtet „Konsumententourismus“

Gerade gegenüber der Kita Hippolytusgarten scheine ein solcher Automat „wenig sinnvoll“ angesichts der Beschwerden über weggeworfene Spritzbestecke. Zudem befürchtet die Stadtverwaltung, dass der Platz dann sogar zu attraktiv werden könnte: Schon jetzt gebe es wegen fehlender Substitionsärzte in Kreis einen „Konsumententourismus“ nach Troisdorf. 

An der Situation in der Fußgängerzone werde ein solcher Automat nichts ändern, erklärte die Erste Beigeordnete Tanja Gaspers. Diese Einschätzung teilt auch Ulrike Hanke, die Leiterin des Sozialamts der Stadt. In der Fußgängerzone hielten sich keine Süchtigen auf, die mit Spritzen hantierten.

Spritzenautomat: SPD verweist auf problemlosen Betrieb in Bonn

Einen „Tourismus“ der Süchtigen nach Troisdorf erwartet Kerstin Schnitzker-Scholtes nicht. In Bonn gebe es mindestens drei, in Köln mindestens zehn derartige Automaten – auf den Weg nach Troisdorf werde sich da niemand machen. „Wir kommen nicht weiter, wenn wir die Leute immer nur wegschicken“ warb auch Angelika Blauen (Bündnis 90/Grüne) für das Vorhaben. „Man kann nur die Probleme minimieren.“

„Problemlos“ laufe der Betrieb der Automaten in Bonn, erklärte für die SPD Harald Schliekert. Auch seine Fraktion plädiere für die Aufstellung in Troisdorf. Konzeptionelle Hilfe leiste ja die Suchthilfe der Diakonie, die diese Form der Versorgung mit Spritzen als einen Baustein der Arbeit mit Abhängigen betrachte.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann befürwortet die Automaten

Auch die CDU sei dafür, den Platz an der Kuttgasse aufzuwerten, sagte Timo Keiper. Allein schon wegen der gegenüber liegenden Kita spreche sich die Union aber gegen einen Spritzenautomaten aus. Eltern aus der Kita hätten sich nach dem Fund von Spritzen bei ihm gemeldet. Die wichtigsten Hilfen für Betroffene seien Therapeuten, Streetworker und Sozialarbeiter, „diese Menschen haben wir im Café Koko.“

Seit 35 Jahren läuft das vom Land Nordrhein-Westfalen geförderte Spritzenautomatenprojekt; zum Selbstkostenpreis werden in den Automaten Spritzen, Pflegesets und Rauchutensilien abgegeben. Die Koordinierung liegt hier bei der Aidshilfe NRW. Einer der Befürworter ist der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).

„Die Automaten sind eine wichtige Möglichkeit drogenabhängiger Menschen, für ihre eigene Gesundheit Verantwortung zu übernehmen“, würdigte Laumann das Projekt. „Erfreulicherweise konnte der Anteil an HIV-Neuinfektionen durch intravenösen Drogenkonsum kontinuierlich gesenkt werden.“

KStA abonnieren